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Dokument-Nr. 29785

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil17.12.2020

Anspruch Opferent­schä­digung für Schockschaden nach AxtmordSekundäropfer in den Schutzbereich des Opfe­rentschädigungs­rechts einzubeziehen

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass ein Schockschaden und eine Opferrente auch Jahre nach dem Verbrechen anerkannt werden können.

Geklagt hatte eine Frau aus Bremen. Ihr Vater war zu Weihnachten 2004 von ihrem psychisch kranken Bruder mit der Axt erschlagen worden. Zu dieser Zeit war sie im Urlaub auf Lanzarote und erhielt am Heiligen Abend den Anruf mit der Nachricht vom Vatermord. Durch den Anruf erlitt sie einen schweren Schock mit Blackout, ging aber nicht zum Arzt. Erst sechs Jahre später beantragte sie eine Opferrente. Sie habe sich bislang nicht behandeln lassen, da sie sich mit dem Ereignis aus Scham nicht ausein­an­der­setzen wollte und versucht habe, das Trauma zu verdecken. Sie habe sich jedoch aus Angst und Minder­wer­tig­keits­emp­finden aus ihrem sozialen Umfeld zurückgezogen; Tanzen, Kegeln und Freunde gäbe es nicht mehr. Aus Furcht vor einem ähnlichen Ereignis habe sie ihre Wohnung in eine regelrechte Festung verwandelt.

Versorgungsamt lehnte den Antrag auf Opferrente ab

Das Versorgungsamt lehnte den Antrag ab, da keine psychischen Störungen mit Tatbezug dokumentiert seien und keine adäquate ärztliche und psycho­the­ra­peu­tische Behandlung erfolgt sei. Außerdem gäbe es keinen Nachweis für einen Schock durch den Anruf. Ein Schockschaden und eine posttrau­ma­tische Belas­tungs­störung (PTBS) lägen daher nicht vor.

Opferent­schä­di­gungsrecht auch für Sekundäropfer

Das LSG hat die PTBS der Frau anerkannt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass auch Sekundäropfer in den Schutzbereich des Opferent­schä­di­gungs­rechts einbezogen würden, wenn die psychischen Auswirkungen so eng mit der Gewalttat verbunden seien, dass sie eine Einheit bildeten. Dies sei im Falle der Klägerin anzunehmen. Hierzu hat das Gericht ein umfassendes medizinisches Gutachten eingeholt, wonach alle Kriterien einer PTBS bei der Frau vorlägen. Sie habe auf die Nachricht mit Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen reagiert. Sie erlebe das Ereignis immer wieder und zeige das typische Vermei­dungs­ver­halten auch bei langem Ignorieren der Symptomatik. Dass die Frau sich lange nicht behandeln ließ, spräche auch nicht gegen eine PTBS, sondern sei vielmehr Ausdruck derselben.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, ra-online (pm/aw)

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