Dokument-Nr. 9307
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil21.02.2010
LSG Berlin-Brandenburg: Ehemaligem Chemiekombinat-Angestellten aus Bitterfeld steht Verletztenrente zuVorliegen einer Berufskrankheit auch nach Berücksichtigung von Stasi-Unterlagen belegbar
Einem ehemaligen Angestellten des Chemiekombinats in Bitterfeld steht eine Verletztenrente aus der Gesetzlichen Unfallversicherung zu, da auch vorhandene und berücksichtigte Stasi-Unterlagen die erhebliche Gefährdung durch Chlor im Chemiekombinat Bitterfeld belegen. Dies geht aus einem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hervor.
Im zugrunde liegenden Fall stritten der Kläger bzw. nach dessen Tod seine Erben um die Zahlung einer Verletztenrente aus der Gesetzlichen Unfallversicherung. Der im Jahre 1932 geborene M. war seit 1950 im VEB Chemiekombinat Bitterfeld als Arbeiter, Brigadier, Kaderinstrukteur und später als Meister in den Abteilungen Chlorbarium, Chlor I und Chlor III beschäftigt gewesen. Während seiner Berufstätigkeit war er u.a. dem Kontakt mit Chlor und Quecksilber ausgesetzt und litt seit 1964 unter chronischer Bronchitis. Seit 1981 bezog M. eine Invalidenrente. Er litt unter gravierenden Beeinträchtigungen von Lunge und Herz, was er u.a. auf Störungen im Betriebsablauf und Chloraustritte zurückführte, bei denen die sonst üblichen Raumluftwerte um ein Vielfaches überschritten worden seien.
Berufsgenossenschaft lehnt Anerkennung einer Berufskrankheit ab
Die beklagte Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie in Halle lehnte es ab, das Leiden des M. als Berufskrankheit anzuerkennen und führte es wesentlich auf dessen langjährigen erheblichen Zigarettenkonsum zurück; zudem hätten die vorliegenden Messprotokolle über die Chlorgasexposition keine Überschreitung von Grenzwerten gezeigt.
Leiden des Klägers durch Stasi-Akten als Langzeitwirkung einer erhöhten Chlorexposition anzusehen
Das SG Frankfurt (Oder) und im Folgenden das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg schlossen sich dieser Sichtweise nach umfangreicher Beweiserhebung nicht an, sondern bewertete die Leiden des M. als Berufskrankheit. Gewürdigt wurde dabei u.a. Material, das die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vorgelegt hatte. Diesen teilweise als "streng geheim" klassifizierten Unterlagen lasse sich anschaulich entnehmen, welche erhebliche Gefährdung durch Chlor im Chemiekombinat Bitterfeld bestanden hat. Belegt sei ein desaströser Zustand der Produktionsanlagen. Alles spreche dafür, dass auch M. Grenzwertüberschreitungen und Havariesituationen ausgesetzt gewesen ist; seine Leiden seien damit maßgeblich als Langzeitwirkung einer erhöhten Chlorexposition anzusehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.03.2010
Quelle: ra-online, LSG Berlin-Brandenburg
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