18.10.2024
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Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.

Dokument-Nr. 5501

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Beschluss03.01.2008Landessozialgericht Baden-WürttembergL 8 AS 5486/07 ER-B
Vorinstanz:
  • Sozialgericht Heilbronn, Beschluss30.10.2007, S 7 AS 3379/07
ergänzende Informationen

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss03.01.2008

ALG II: Kontoauszüge dürfen nicht geschwärzt werdenKontoauszüge müssen auch ohne Verdacht auf falsche Angaben vorgelegt werden - Nur wirklich Hilfebedürftige sollen Leistungen erhalten

Wer Arbeits­lo­sengeld II-Leistungen beantragt und vom zuständigen Amt aufgefordert wird, Kontoauszüge für die letzten drei Monate vorzulegen, darf darin keine Schwärzungen vornehmen. Dies hat das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall stellte eine Frau einen so genannten Weiter­be­wil­li­gungs­antrag für Arbeits­lo­sengeld II. Sie hatte in der Vergangenheit bereits Leistungen erhalten. Nunmehr sollte sie u. a. einen Kontoauszug für die letzten drei Monate einreichen. Dieser Aufforderung kam sie zunächst nicht nach, weil sie meinte, die Verpflichtung zur Herausgabe der Kontoauszuge verletze sie in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung.

Vor dem Sozialgericht Heilbronn wollte sie im Rahmen einer einstweiligen Anorderung erreichen, dass ihr das Arbeits­lo­sengeld II auch ohne die Kontoauszüge vorläufig bewilligt werde. Statt dessen machte das Sozialgericht Heilbronn in einem Hinweis­schreiben darauf aufmerksam, dass die Kontoauszüge eingereicht werden müssten. Darauf hin gab sie die Kontoauszüge heraus. Allerdings war der Text zu den Ausga­ben­bu­chungen geschwärzt worden. Lediglich der Zahlbetrag der getätigten Ausgaben war erkennbar. Das Sozialgericht Heilbronn entschied darauf hin, dass die Frau zu den getätigten Schwärzungen berechtigt sei und verpflichtete die Bundesagentur für Arbeit vorläufig Arbeits­lo­sengeld II Leistungen zu gewähren.

Diese Entscheidung wurde vom Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg kassiert. Es sei nicht zulässig, einzelne Angaben unter Berufung auf den Datenschutz zu schwärzen.

Kontoauszüge sind so genannte Sozialdaten

Das Gericht führte aus, dass die von der Bundesagentur angeforderten Kontoauszüge, auf denen auch der Text einer Ausgabenbuchung lesbar ist, Sozialdaten iSd. § 67 Abs. 1 S. 1 SGB X enthalten, die von der Antragsgegnerin als dem zuständigen Leistungsträger nach § 35 Abs. 2 SGB I nur unter den Voraussetzungen der §§ 67 ff SGB X erhoben, verarbeitet und genutzt werden dürften.

Auch ohne Verdacht auf falsche Angaben besteht Anspruch auf Lesen der Kontoauszüge

Die Richter waren der Auffassung, dass die Vorlage vollständig lesbarer Kontoauszüge erforderlich und geeignet sei, um die Hilfe­be­dürf­tigkeit der Antragstellerin iSd § 9 SGB II feststellen zu können. Die Berechtigung zur Erhebung (§ 67 Abs. 5 SGB X) dieser Daten ergebe sich damit aus § 67 a Abs. 1 SGB X. Die Zulässigkeit der Verarbeitung (§ 67 Abs. 6 SGB X) und Nutzung (§ 67 Abs. 7 SGB X) dieser Daten folge aus § 67 b Abs. 1 S. 1 iVm § 67 c Abs. 1 S. 1 SGB X.

Das Lesen der geschwärzten Buchungstexte sei entgegen der Ansicht des Sozialgerichts Heilbronn nicht nur dann erforderlich im Sinne der genannten Vorschriften, wenn der Verdacht bestehe, dass der Betroffene falsche Angaben gemacht habe.

Kein Verstoß gegen infor­ma­ti­o­nelles Selbst­be­stim­mungsrecht - Staat hat Interesse nur wirklich Bedürftigen Hilfeleistungen zu gewähren

Es verstoße weder gegen das informationelle Selbst­be­stim­mungsrecht noch gegen andere Grundrechte des Betroffenen, wenn der Staat nur solchen Personen steuer­fi­nan­zierte Leistungen gewähren will, die auch wirklich bedürftig seien, und er deshalb dem Leistungsträger das Recht einräume diejenigen Daten zu erheben, die Aufschluss darüber geben können, ob z. B. Hilfe­be­dürf­tigkeit tatsächlich vorliegt. Die in Kontoauszügen enthaltenen Angaben über ein- und ausgehende Zahlungen seien im besonderen Maße geeignet, Aufschluss über die finanziellen Verhältnisse des Betroffenen zu geben. Auch der Text zu Ausga­ben­bu­chungen könne in mehrfacher Hinsicht Angaben enthalten, die für die Beantwortung der Frage, ob tatsächlich Hilfe­be­dürf­tigkeit gegeben sei, aufschlussreich seien.

Quelle: ra-online

der Leitsatz

1. Für den Erlass einer Regelungs­a­n­ordnung fehlt es an einem Rechts­schutz­be­dürfnis für ein Tätigwerden des Gerichts, wenn der Grund­si­che­rungs­träger den Leistungsantrag noch nicht förmlich abgelehnt hat.

2. Ein Leistungs­emp­fänger ist verpflichtet, auf Verlangen des Grund­si­che­rungs­trägers vollständig lesbare (ungeschwärzte) Kontoauszüge vorzulegen.

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