18.10.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 6011

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil09.04.2008

Aushilfskraft mit mehreren Minijobs: Arbeitgeber muss keine Sozia­l­ver­si­che­rungs­beiträge nachzahlen

Das Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein Arbeitgeber nicht rückwirkend Sozia­l­ver­si­che­rungs­beiträge nachzahlen muss, wenn eine bei ihm auf geringfügiger Basis beschäftigte Aushilfskraft nebenher bei anderen Arbeitgebern noch weitere geringfügige Beschäftigungen ausübt und daher die gesetzliche Versi­che­rungs­pflicht wegen Überschreitens der Gering­fü­gig­keits­grenze eintritt.

Dem Urteil lag zu Grunde, dass eine Studentin als geringfügig Beschäftigte mit bis zu 350 € monatlich in einem Architekturbüro beschäftigt war. Daneben hatte sie bei einem anderen Arbeitgeber für einige Monate noch eine weitere Beschäftigung mit monatlichen 114 € aufgenommen. Beide Beschäf­ti­gungs­ver­hältnisse waren von dem jeweiligen Arbeitgeber der zuständigen Beklagten, hier der Deutschen Renten­ver­si­cherung Knappschaft-Bahn-See, gemeldet worden. Als die Doppel­be­schäf­tigung der Beklagten aufgefallen war, stellte sie rückwirkend die Versi­che­rungs­pflicht der Studentin für den Zeitraum der Doppel­be­schäf­tigung von September 2004 bis Januar 2005 fest und forderte u. a. auch von der Klägerin, der Inhaberin des Archi­tek­turbüros, Sozia­l­ver­si­che­rungs­beiträge nach. Die Klägerin habe grob fahrlässig die Überprüfung versäumt, ob ihre Aushilfskraft noch weitere Beschäf­ti­gungs­ver­hältnisse ausübe. In diesem Fall ergebe sich aus den sie bindenden Anordnungen der Richtlinien die Verpflichtung zur Nachforderung von Beiträgen.

Das Sozialgericht Konstanz hatte bereits den Bescheid aufgehoben. Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt, die vom Landes­so­zi­al­gericht zurückgewiesen worden ist. Der 5. Senat hat hierbei die Auffassung vertreten, wenn die Gering­fü­gig­keits­grenze (400 €) durch Zusam­men­rechnung der Entgelte mehrerer geringfügiger Beschäftigungen gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV überschritten wird, tritt zwar die Versi­che­rungs­pflicht ein, sie beginnt aber erst mit dem Tag der Bekanntgabe des die Versi­che­rungs­pflicht feststellenden Bescheids durch die Einzugsstelle oder einen Träger der Renten­ver­si­cherung. Der rückwirkende Eintritt von Versi­che­rungs­pflicht ist ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn dem Arbeitgeber vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sein sollte. Die eine rückwirkende Versi­che­rungs­pflicht anordnenden Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen, der Deutschen Renten­ver­si­cherung und der Bundesagentur für Arbeit für die versi­che­rungs­rechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen (Gering­fü­gigkeits-Richtlinien) sind mit der gesetzlichen Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV nicht vereinbar und von den Gerichten nicht anzuwenden. Daher war der Bescheid der Beklagten aufzuheben.

Erläuterungen
§ 8 Sozial­ge­setzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) lautet:

(1) Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn

1.das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht übersteigt,

2.die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 Euro im Monat übersteigt.

(2) Bei der Anwendung des Absatzes 1 sind mehrere geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 oder Nummer 2 sowie geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung nach Nummer 1 und nicht geringfügige Beschäftigungen zusam­men­zu­rechnen. Eine geringfügige Beschäftigung liegt nicht mehr vor, sobald die Voraussetzungen des Absatzes 1 entfallen. Wird bei der Zusam­men­rechnung nach Satz 1 festgestellt, dass die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht mehr vorliegen, tritt die Versi­che­rungs­pflicht erst mit dem Tage der Bekanntgabe der Feststellung durch die Einzugsstelle oder einen Träger der Renten­ver­si­cherung ein.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit anstelle einer Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Dies gilt nicht für das Recht der Arbeits­för­derung.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LSG Baden-Württemberg vom 28.04.2008

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