18.10.2024
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Dokument-Nr. 32685

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Landgericht Wuppertal Urteil29.12.2022

Private Kranken­ver­si­cherung muss Kosten einer heterologen Insemination einer transidenten Person übernehmenVorliegen einer "organisch bedingten Sterilität" im Sinne der Versicherungs­bedingungen

Ist eine heterologe Insemination bei "organisch bedingter Sterilität" vom Versi­che­rungs­schutz einer privaten Kranken­ver­si­cherung umfasst, so müssen die Kosten einer Kinder­wunsch­behandlung einer transidenten Person übernommen werden. Dies hat das Landgericht Wuppertal entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im März 2020 beantragte ein transidenter Mann von seiner privaten Kranken­ver­si­cherung die Übernahme der Kosten einer heterologen Insemination. Der Mann verfügte weder über funktionsfähige weibliche Fortpflan­zungs­organe noch Hoden und die weiteren inneren Geschlechts­organe wie Nebenhoden oder Samenleiter. Die Kranken­ver­si­cherung lehnte die Kostenübernahme ab, da ihrer Meinung nach keine "organisch bedingte Sterilität" im Sinne der Versi­che­rungs­be­din­gungen vorliege. Der Mann nahm die Kinderwunschbehandlung daraufhin auf eigene Kosten auf und klagte anschließend auf Erstattung der Kosten.

Anspruch auf Erstattung der Kosten für Kinder­wun­sch­be­handlung

Das Landgericht Wuppertal entschied zu Gunsten des Klägers. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Kinder­wun­sch­be­handlung zu.

Vorliegen einer "organisch bedingten Sterilität"

Bei dem Kläger liege nach Auffassung des Landgerichts eine "organisch bedingte Sterilität" im Sinne der Versi­che­rungs­be­din­gungen vor. Ein verständiger Versi­che­rungs­nehmer würde die Formulierung so verstehen, dass es sich um eine auf körperliche Ursachen beruhende Unfähigkeit handelt, auf natürlichem Weg ein Kind zu zeugen. Dies sei beim Kläger der Fall. Er verfüge weder über funktionsfähige männliche noch weibliche Fortpflan­zungs­organe, welche die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Weg ermöglichen würde.

Fortpflan­zungs­fä­higkeit bemisst sich nicht allein nach Funkti­o­ns­taug­lichkeit der Geschlechts­merkmale

Zudem wies das Landgericht daraufhin, dass die körperliche Fortpflan­zungs­fä­higkeit sich nicht allein nach der Funkti­o­ns­fä­higkeit der physischen Geschlechts­merkmale bemesse. Sie hänge vielmehr wesentlich auch von der psychischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundene Geschlecht­lichkeit ab. Die natürliche Fortpflan­zungs­fä­higkeit sei daher evident auch dann nicht gegeben, wenn einem transidenten Mann die Durchführung des Zeugungsaktes wie auch der Austragung und die Geburt eines Kindes aufgrund des Widerstreites der bei Geburt vorhandenen Sexualorgane mit seiner selbst empfundenen Geschlecht­lichkeit nicht möglich sei. Dies erkenne im Grundsatz auch die Beklagte an, da sie homosexuelle Paare im Versi­che­rungs­schutz aufgenommen habe.

Kein Leistungs­aus­schluss wegen Hormontherapie

Nach Ansicht des Landgerichts könne die Beklagte sich auch nicht auf einen Leistungs­aus­schluss wegen der Hormontherapie des Klägers berufen. Denn die Hormontherapie einer transidenten Person zur Annäherung an das Erschei­nungsbild des empfundenen Geschlechts sei Ausdruck des allgemeinen Persön­lich­keitsrecht und stelle damit ein sozialadäquates Verhalten dar.

Quelle: Landgericht Wuppertal, ra-online (vt/rb)

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