21.11.2024
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Landgericht Verden Urteil08.07.2005

Sasser-Wurm-Prozess: "Sasser"-Programmierer bekommt Bewäh­rungs­strafeBerufsschüler ist der Daten­ver­än­derung sowie der Compu­ter­sa­botage schuldig

In dem sogenannten Sasser-Wurm-Prozess hat das Landgericht Verden den angeklagten 19-jährigen Berufsschüler wegen Daten­ver­än­derung in 4 Fällen sowie der Compu­ter­sa­botage in 3 Fällen schuldig gesprochen.

Gegen ihn wird eine Jugendstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verhängt. Die Vollstreckung der Jugendstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Die Kammer hat in ihrer mündlichen Urteils­be­gründung festgestellt, dass der Angeklagte der Daten­ver­än­derung und der Compu­ter­sa­botage in den oben genannten Fällen schuldig ist. Dabei hat die Kammer das umfassende Geständnis des Angeklagten, die Angaben der in der Haupt­ver­handlung vernommenen Zeugen, sachver­ständigen Zeugen und des Sachver­ständigen zugrunde gelegt.

Bei der Frage, wie der Angeklagte für diese Straftaten zur Verantwortung zu ziehen ist, ist die Kammer von der Anwendung von Jugendstrafe ausgegangen und hat insbesondere auch für die Zeit, in der der Angeklagte Heranwachsender war, aufgrund von entwick­lungs­be­dingten Verzögerungen das Jugend­s­trafrecht angewendet.

Nach Auffassung des Gerichts erscheinen hier angesichts des Tatherganges und der Persönlichkeit des Angeklagten Erzie­hungs­maß­nahmen und Zuchtmittel unter erzieherischen Gesichtspunkten nicht mehr ausreichend. Bei der Anordnung der Jugendstrafe ist das Gericht davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten schädliche Neigungen, also eine innere Neigung zu Straftaten, jedenfalls gegenwärtig nicht mehr vorliegen.

Andererseits habe der Angeklagte jedoch mit großer Intensität und erheblicher krimineller Energie gehandelt, seine Taten über einen langen Zeitraum geplant und ständig neue, bessere und schnellere Versionen seiner Computerwürmer weiter entwickelt. Er sei insoweit in einen Wettbewerb mit anderen eingetreten, habe einen immensen, nicht abschätzbaren Schaden verursacht. Sein Ziel sei gewesen, die von ihm programmierten Computerwürmer zu verbessern, d. h. insbesondere ihre Verbrei­tungs­ge­schwin­dig­keiten zu verkürzen und auf diese Weise die von ihm beabsichtigte Schadenswirkung zu maximieren. Nur einen Bruchteil der Schäden habe die Kammer in der Beweisaufnahme überhaupt feststellen können.

Der Angeklagte habe auch in Kenntnis dieser Folgen gehandelt, diese zielgerichtet herbeigeführt und dabei eine "diebische Freude" dann entwickelt, wenn ihm dies im Einzelfall besonders gut gelungen war. Andererseits hat die Kammer dem Angeklagten zu Gute gehalten, dass sich in seinem Handeln ein jugendtypisches und insbesondere nicht auf kommerzielle Ziele ausgerichtetes Verhalten gezeigt hat. Er habe seine Klassen­ka­meraden und sein engeres Umfeld nicht im Unklaren darüber gelassen, welche Ziele er verfolge und sei insbesondere mit anderen in den Wettbewerb darüber eingetreten, seine Viren möglichst schnell und weit zu verbreiten.

Unter diesen Gesichtspunkten hält die Kammer die Schwere der Schuld als Voraussetzung für die Verhängung einer Jugendstrafe für gegeben. Bei der Höhe der Jugendstrafe hat die Kammer zugunsten des Angeklagten seine jedenfalls zu Beginn der Taten bestehende schwierige soziale Situation berücksichtigt, der damals sehr introvertiert und extrem zurückhaltend gewesen und insbesondere in seiner Schulklasse nicht integriert gewesen sei und demnach ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung gehabt habe, die er durch seine speziellen Fähigkeiten im Bereich des Programmierens erreichen konnte.

Der Angeklagte sei nicht bestraft, er habe überdies ein umfassendes Geständnis abgelegt. Außerdem berücksichtigt die Kammer das Verhalten des Angeklagten nach der Tat. Er habe gezeigt, dass es ihm möglich sei, eine solide Ausbildung mit offenbar gutem Erfolg durchzuführen und stabile soziale Bezüge zu erreichen. Andererseits war der immense Schaden bei der Höhe der Jugendstrafe in Rechnung zu stellen und auch der Umstand, dass der Angeklagte durch sein Handeln auch Gefahren für Leib und Leben anderer herbeigeführt hat, die dadurch hätten entstehen können, dass Notrufanlagen und ähnliche Einrichtungen vorübergehend funkti­o­ns­unfähig gemacht worden sind.

Die Kammer hat die Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt, weil aus den oben angeführten Gründen bei dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose festzustellen ist. Sie hat die Bewährungszeit auf 3 Jahre bemessen. Als Bewäh­rungs­auflage soll der Angeklagte 30 Stunden gemeinnützige Arbeit in einem Altenheim oder einem Krankenhaus verrichten.

Die Staats­an­walt­schaft und der Verteidiger haben auf Rechtsmittel verzichtet, so dass das Urteil rechtskräftig ist.

Angewendete Straf­vor­schriften: §§ 303 a, 303 b Abs. 1 Ziffer 1, 53 StGB, §§ 1, 105 JGG.

Quelle: Bericht der ra-online Redaktion, Pressemitteilung des LG Verden vom 08.07.2005

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