Dokument-Nr. 3862
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Landgericht Osnabrück Urteil22.02.2007
Kein Schadensersatz nach fingiertem Verkehrsunfall nach dem "Berliner Modell"
Wenn verabredet wird, dass ein abgestelltes Fahrzeug vorsätzlich mit Hilfe eines gestohlenen Fahrzeugs beschädigt werden soll, wird vom so genannten "Berliner Modell" gesprochen. Das Landgericht Osnabrück hat die Klage auf Schadensersatz nach einem solchen fingiertem Verkehrsunfall abgelehnt.
Die in Polen lebende Klägerin hatte ihren PKW Mercedes in der Nacht zum 10.10.2005 an der Straße Am Riedenbach in Osnabrück geparkt. In den frühen Morgenstunden prallte der 17 Jahre alte PKW Audi 80 des Beklagten zu 1) gegen das Auto der Klägerin. Die Polizei nahm den Unfall auf. Dabei stellte sie fest, dass das Türschloss des Audi beschädigt war. Das Zündschloss war mittels eines Werkzeugs betätigt worden. Der Fahrer des Wagens konnte nicht ermittelt werden. Die Klägerin hat mit ihrer Klage Schadensersatz in Höhe von knapp 13.000,- € vom Beklagten zu 1) und von der hinter ihm stehenden Haftpflichtversicherung, der Beklagten zu 2), begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass an ihrem Auto, das vom Zeugen S. ordnungsgemäß abgestellt worden sei, ein Schaden in dieser Höhe entstanden sei. Die Beklagten haben eine Haftung abgelehnt. Nach ihrer Darstellung sei der Audi unmittelbar vor der Kollision entwendet worden. Anschließend sei der Wagen vorsätzlich gegen das Fahrzeug der Klägerin gefahren worden.
Das Gericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen.
Der Beklagte zu 1) als Halter des Audi hafte in einem Fall wie diesem, in dem das Fahrzeug ohne sein Wissen und Wollen benutzt worden sei, nur, wenn er diese Benut-zung schuldhaft ermöglicht habe. Durch die Zeugenaussage seines Sohnes und die polizeilichen Ermittlungen sei jedoch bewiesen, dass der Audi durch unbekannte Täter aufgebrochen und entwendet worden sei. Die Haftpflichtversicherung (Beklagte zu 2) müsse ebenfalls nicht für den Schaden einstehen. Der Versicherer sei von einer Haftung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Unfall vorsätzlich herbeiführe. Das gelte auch, wenn das Fahrzeug von einem Unberechtigten geführt worden sei. Auch dieser sei Versicherungsnehmer im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen. Dass der Unfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei, stehe aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens fest. Dem zufolge sei es nicht zu einem einmaliger Anstoß gegen den Mercedes der Klägerin, sondern zu zwei Berührungen gekommen. Aus dem Gesamtspurenbild ergebe sich, dass der Hauptkraftaustausch bei dem zweiten Anstoß stattgefunden habe. Der erste Anstoß sei der leichtere gewesen. Ein solcher Verlauf sei durch einen normalen Unfall nicht erklärbar. Vielmehr sei absichtlich auf den Pkw der Klägerin zugehalten worden.
Schließlich hafteten die Beklagten auch deshalb nicht für das Unfallgeschehen, weil die Schäden am PKW der Klägerin mit deren Einverständnis herbeigeführt worden seien. Die äußeren Umstände ließen nämlich mit der erforderlichen Sicherheit den Schluss zu, dass es sich um einen gestellten Unfall nach dem sog. "Berliner Modell" handele. Darunter sei die verabredete vorsätzliche Beschädigung eines abgestellten Fahrzeugs mit Hilfe eines gestohlenen Pkw zu verstehen, der an Ort und Stelle zurückgelassen werde, um dessen Haftpflichtversicherung in Anspruch nehmen zu können.
Eine derartige Absprache werde zunächst dadurch belegt, dass der Fahrer des Audi den Zusammenstoß absichtlich herbeigeführt habe. Dies mache wirtschaftlich nur dann Sinn, wenn es vorher mit der Klägerin verabredet worden sei, um Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Weiter sei kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb ein Dieb gerade den nahezu wertlosen Pkw Audi 80 habe stehlen sollen, wenn nicht zu dem Zweck, ihn nach einer Fahrstrecke von wenigen 100 m zur Beschädigung des Pkw der Klägerin einzusetzen. Schließlich werde die Klägerin erheblich durch ihre wechselnden, dem Prozessverlauf angepassten Sachverhaltsdarstellungen belastet. So hatte sie erstmals nachdem der Sachverständige ausgeführt hatte, dass die Schäden am Mercedes nicht auf nur einen Anstoß zurückzuführen seien, erklärt, der Zeuge S. habe nach dem Unfall mit dem Wagen wegfahren wollen, die Tür aber nicht öffnen können. Über die gesamte Situation sei er so verärgert gewesen, dass er mit dem Wagenheber auf das Fahrzeug eingeschlagen habe. In seiner Vernehmung als Zeuge habe er dies nur deshalb nicht erwähnt, weil er dem keine Bedeutung beigemessen habe. Dieser Darstellung könne nach Auffassung der Kammer kein Glauben geschenkt werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.03.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 7/07 des Landgerichts Osnabrück vom 27.02.2007
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