21.11.2024
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Dokument-Nr. 4636

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Landgericht Osnabrück Urteil18.12.2006

Zur Beweis­last­ver­teilung bei berei­che­rungs­recht­lichen Ansprüchen

Eigentlich muss derjenige, der einen anderen aus ungerecht­fertiger Bereicherung in Anspruch nehmen möchte, beweisen, dass die Leistung ohne Rechtsgrund erfolgte. Von diesem Grundsatz kann aber abgewichen werden, wenn es Umstände gibt, die Grund zu der Annahme geben, dass die Vermö­gens­ver­schiebung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Dann muss der Leistungs­emp­fänger beweisen, dass es doch einen Rechtsgrund für die Leistung gab. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Osnabrück hervor.

Die 1977 geborene Klägerin ist die Tochter des Beklagten. Der Beklagte ist Tunesier. In der Zeit von Oktober 2003 bis Januar 2004 erhielt der Beklagte von seiner Tochter in drei Beträgen insgesamt 17.400,- €. Weiter zahlte die Klägerin von August 2001 bis Juli 2004 per Dauerauftrag monatlich gut 150,- € an den Beklagten. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Erstattung dieser Beträge in Höhe von insgesamt knapp 23.000,- € von ihrem Vater verlangt.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die 17.400,- € lediglich darlehensweise überlassen worden seien. Die monatlichen Zahlungen habe sie nur geleistet, weil ihr Vater ihr vorgespiegelt habe, er müsse Kinder­geld­leis­tungen in diesem Umfang zurückzahlen. Dem ist der Beklagte mit der Behauptung entge­gen­ge­treten, die 17.400,- € seien mit dem Einverständnis seiner Tochter für deren nach tunesischem Brauch sehr umfangreiche Hochzeits­fei­er­lich­keiten ausgegeben worden. Bei den laufenden Zahlungen habe es sich um Kostgeld gehandelt.

Die zweite Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat der Klage der Tochter im Umfang von 17.400,- € stattgegeben. Der Beklagte sei zur Zahlung dieses Betrages verpflichtet, weil er das Geld ohne Rechtsgrund erhalten habe. Unstreitig seien die entsprechenden Abhebungen vom Konto der Klägerin erfolgt, auf das ihr Arbeitslohn geflossen sei. Es habe sich folglich um Geld der Klägerin gehandelt. Dass diesen Abhebungen eine Vereinbarung zu Grunde gelegen habe, wonach der Beklagte das Geld für die Hochzeitsfeier seiner Tochter einsetzen durfte, lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. So sei zwar das Konto auf den Namen der Klägerin geführt worden, tatsächlich hätten sich jedoch sowohl die dazu gehörige Kontokarte wie auch der Pass der Klägerin im Besitz ihrer Eltern befunden. Die Klägerin habe daher Abhebungen nicht allein, sondern immer nur zusammen mit ihrer Mutter vornehmen können, weil sie keine Bankkarte hatte und sich auch nicht anderweitig habe ausweisen können. Von ihrem selbst verdienten Geld habe sie tatsächlich monatlich zunächst lediglich 50,00 DM und später 30,00 € bekommen. Faktisch hätten danach ihre Eltern über ihr Geld verfügt. Außerdem habe der beklagte Vater selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Hochzeit einer Tochter zwar normalerweise tunesischem Landesbrauch entsprechend durch die Eltern ausgerichtet werde, er jedoch nicht eingesehen habe, dass die Beklagte das Geld behielt, da dieses nach der Hochzeit letztlich an ihren Mann gefallen wäre. Deswegen habe er von seiner Tochter verlangt, dass sie die Hochzeit bezahle. Angesichts dieser Umstände könne nicht als erwiesen angesehen werden, dass die Beträge aufgrund einer rechtswirksamen Vereinbarung von der Tochter an den Vater gezahlt worden seien, um damit die Hochzeit zu finanzieren.

Diese Nichter­weis­lichkeit gehe zu Lasten des Beklagten. Angesichts der konkreten Umstände, unter denen die Abhebungen erfolgten, und der Handhabung des Kontos habe er beweisen müssen, dass die ihm ausgehändigten Gelder im Einverständnis mit seiner Tochter für die Hochzeits­fei­er­lich­keiten verwandt werden sollten. Soweit die Klägerin die Rückzahlung der monatlich gezahlten Beträge verlange, erscheine es dagegen durchaus nachvollziehbar, dass diese Beträge als Kostgeld und damit mit Rechtsgrund geleistet worden seien. Ein Erschleichen der Leistung durch eine Täuschung habe die Klägerin nicht bewiesen.

Die vom Beklagten zunächst gegen das Urteil eingelegte Berufung ist nunmehr zurückgenommen worden, nachdem das zuständige Oberlan­des­gericht Oldenburg darauf hingewiesen hatte, dass das Rechtsmittel unbegründet sein dürfte. In diesem Hinweis hat das Oberlan­des­gericht insbesondere die vom Landgericht angenommene Beweis­last­ver­teilung bestätigt und dazu ausgeführt, dass es zwar grundsätzlich demjenigen, der einen anderen aus ungerecht­fer­tigter Bereicherung in Anspruch nehme, obliege, zu beweisen, dass es für die Leistung keinen Rechtsgrund gebe. Diese Beweis­last­ver­teilung gelte jedoch nicht ausnahmslos. Wenn die äußeren Umstände den Schluss nahe legten, dass die Vermö­gens­ver­schiebung ohne Rechtsgrund erfolgt sei, treffe den Leistungs­emp­fänger die Beweislast für das Bestehen einer rechtlichen Grundlage. So liege auch der zu entscheidende Fall.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG Osnabrück vom 29.06.2007

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