21.11.2024
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Dokument-Nr. 3512

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Landgericht Oldenburg Urteil08.12.2006

Keine grobe Fahrlässigkeit bei Fahrzeug­die­bstahl während einer Hilfeleistung im StrassenverkehrVersicherung muss Pannenhelfer gestohlenen Wagen ersetzen

Das Landgericht Oldenburg hat zur Frage der Beurteilung groben Fahrlässigkeit während einer Hilfeleistung im Straßenverkehr ein deutliches Signal zu Gunsten des helfenden Autofahrers gesetzt.

Die Parteien stritten vor der über die Verpflichtung zur Leistung aus einer Fahrzeug­ver­si­cherung wegen eines behaupteten Fahrzeug­die­b­stahls insbesondere über die Frage, ob der Kläger den Diebstahl grob fahrlässig ermöglicht hat.

Der Kläger war Leasingnehmer eines Fahrzeuges Mercedes Benz, welches bei der Beklagten vollkas­ko­ver­sichert war. Am 07.02.2006 fuhr der Kläger mit dem PKW in Delmenhorst, als er vor ihm ein Fahrzeug mit eigeschalteter Warnblinkanlage bemerkte. Nach dem Vorbringen des Klägers, dem das Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme Glauben geschenkt hat, war dieser spontan ausgestiegen und hatte dem Führer des Pannenfahrzeugs geholfen, den Wagen in eine Nebenstrasse auf einen Seitenstreifen zu schieben. Plötzlich sah der Kläger sein eigenes Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit vorbeifahren. Unstrittig hatte der Kläger beim Aussteigen seinen Autoschlüssel im Zündschloss stecken lassen.

Das Landgericht hat der Klage auf Erstattung des Schadens von über 13.000,00 €, unter Abzug der vereinbarten Selbst­be­tei­ligung in vollem Umfang stattgegeben.

Der Kläger hat nach Ansicht der Richter den Diebstahl seines Fahrzeuges nicht grob fahrlässig im Sinne von § 61 VVG herbeigeführt. Es fehle insbesondere an der auch subjektiv erforderlichen Unent­schuld­barkeit des Verhaltens des Klägers. Hierzu wird in den Urteilsgründen ausgeführt: "Nach der allgemeinen Definition handelt grob fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders groben Maße außer acht lässt. Dabei muss weiter die Wahrschein­lichkeit des Schadens - und zwar des konkret eingetretenen Schadens - offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahe liegt, ein anderes Verhalten zur Vermeidung des Versi­che­rungs­falles in Betracht zu ziehen. Auch subjektiv muss ein gesteigertes Verschulden vorliegen, das die Handlungsweise unentschuldbar macht.

Nach der obigen Definition ist es zwar auch nach Auffassung der Kammer grundsätzlich grob fahrlässig, wenn ein PKW in öffentlichem Verkehrsraum ungesichert mit steckendem Schlüssel abgestellt wird, sei es auch nur für kurze Zeit. In allen Fällen, in welchen dieses für private Besorgungen, wie beispielsweise kurze Telefonate, Brötchenholen, Zigarettenkauf am Automaten oder für das Einwerfen eines Briefes geschieht, dürfte auch die subjektive Komponente der groben Fahrlässigkeit vorliegen.

Die genannten Fälle unterscheiden sich aber in einem wesentlichen Punkt vom hier zu entscheidenen Fall. Bei der Handlung des Klägers hat es sich um einen spontanen Entschluss in einer zunächst nicht vorhersehbaren Situation gehandelt. Im Vordergrund stand die Absicht, dem Zeugen ... zu helfen. Wenn in dieser Situation der Kläger vergisst, das Auto zu sichern, handelt es sich nicht um eine unentschuldbare Handlungsweise. Anders bei den obigen Beispielen, bei welchen es sich um vollständig vom Versi­che­rungs­nehmer geplante Handlungen handelt, die vorhersehbar sind. Die dann unterbliebene Sicherung des Fahrzeuges beruht auf einer generellen Nachlässigkeit und Gedan­ken­lo­sigkeit, die auch nicht entschuldbar ist. In Fällen, in denen der Versi­che­rungs­nehmer das Fahrzeug spontan verlässt um einem Dritten zu helfen, kann aber gerade diese Gedan­ken­lo­sigkeit und auch eine generelle Nachlässigkeit nicht festgestellt werden. Es handelt sich um eine Unterlassung, die auch dem sonst vorsichtigen Versi­che­rungs­nehmer einmalig passieren könnte, da er gedanklich bereits bei der bevorstehenden Hilfeleistung ist."

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG Oldenburg vom 12.12.2006

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