Dokument-Nr. 3013
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Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss25.02.1999
Haftung bei Gefälligkeitsfahrt - Fahrerin will Freundin mit deren PKW abholen und beschädigt dabei den PKWStillschweigender Haftungsausschluss nur unter besonderen Voraussetzungen
Wer sich ans Steuer eines fremden Autos setzt, haftet für verschuldete Fahrzeugschäden unter Umständen selbst dann, wenn die Fahrt auch im Interesse des PKW-Eigentümers lag. Der Fahrer ist also nicht schon deswegen von seiner Haftung befreit, weil er mit der Fahrt nicht nur sich selbst, sondern auch dem Eigentümer des Fahrzeugs einen Gefallen erweisen wollte.
Mit dieser Begründung verurteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth eine Autofahrerin zum Schadensersatz. Die 29jährige Frau war mit dem PKW ihrer Freundin aus Unvorsichtigkeit ins Schleudern geraten und gegen die Leitplanke geprallt. Dabei entstand ein Sachschaden von fast 10.000 DM.
Eine ausdrückliche Absprache über die Haftungsfrage hatten die beiden Freundinnen nicht getroffen. Eine stillschweigende Haftungsbeschränkung für Gefälligkeitsfahrten kommt nach Ansicht des Landgerichts nur unter engen Voraussetzungen in Betracht, - vor allem dann, wenn die volle Haftung wegen unüberschaubarer Risiken für den Fahrer unzumutbar wäre und wenn die Fahrt ausschließlich oder ganz überwiegend im Interesse des PKW-Halters lag. Davon könne jedoch im konkreten Fall keine Rede sein, befanden die Richter. Sie verurteilten daher die Beklagte, über die bereits bezahlten 6.230 DM hinaus weitere 3.691 DM Schadensersatz zu leisten.
Die beiden Frauen, die in der gleichen Gemeinde wohnten, waren im PKW der Klägerin zunächst gemeinsam nach Nürnberg gefahren, um dort einige Besorgungen zu erledigen. Am Nachmittag fuhren sie zur Arbeitsstelle der Klägerin und setzten diese dort ab. Die Beklagte übernahm absprachegemäß den PKW und fuhr zu sich nach Hause. Am Abend sollte sie dann ihre Bekannte wieder an deren Arbeitsstätte abholen. Auf dem Weg dorthin geriet das Auto in einer Linkskurve ins Schleudern und prallte gegen die Leitplanke. Dabei erlitt das Fahrzeug einen Totalschaden. Die PKW-Halterin bezifferte ihren Schaden auf rund 10.000 DM. Hiervon bezahlte die Unglücksfahrerin freiwillig 6.230 DM. Die Klägerin bestand jedoch auf Ersatz des vollen Schadens.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth gab der Klage im wesentlichen statt.
Die Beklagte habe den Unfall schuldhaft verursacht. Sie sei mit unangepasster Geschwindigkeit in die Kurve gefahren und habe durch diese Unvorsichtigkeit die Herrschaft über das Fahrzeug verloren. Damit liege eine fahrlässige Sachbeschädigung vor, die nach dem Gesetz grundsätzlich zum Schadensersatz wegen „unerlaubter Handlung" verpflichtet.
Eine Haftungsbeschränkung lehnte das Gericht unter den gegebenen Umständen ab.
Einen ausdrücklichen Haftungsausschluss hatten die beiden Freundinnen nicht vereinbart. Eine stillschweigende Haftungsbeschränkung komme allenfalls unter dem Gesichtspunkt „Gefälligkeitsfahrt" in Betracht. Doch fehle es im konkreten Fall an stichhaltigen Anhaltspunkten, die einen Verzicht der Geschädigten auf Schadensersatz rechtfertigen könnten.
Zwar lehne die Rechtsprechung einen stillschweigenden Haftungsverzicht bei Gefälligkeitsfahrten nicht rundweg ab. Angesichts der weitreichenden Nachteile, die ein solcher Verzicht für den Geschädigten mit sich bringen kann, knüpfe sie ihn jedoch an strenge Voraussetzungen. Eine stillschweigende Haftungsbeschränkung komme demnach vor allem dann in Betracht, wenn die volle Haftung wegen unüberschaubarer Risiken für den Fahrer unzumutbar wäre und wenn die Fahrt ganz überwiegend im Interesse des PKW-Halters lag. Davon könne jedoch im konkreten Fall keine Rede sein, befanden die Richter.
Ein unüberschaubares Risiko sei die Fahrerin mit ihrer Gefälligkeitsfahrt nicht eingegangen. Für Verletzungen oder Sachschäden zum Nachteil anderer Verkehrsteilnehmer, die in der Tat zu hohen Schadensersatzansprüchen hätten führen können, wäre die Haftpflichtversicherung der Fahrzeughalterin eingesprungen. Somit blieb als echtes Risiko nur die mögliche Haftung für Schäden am selbst gefahrenen Auto.
Auch an der zweiten Voraussetzung fehle es, nämlich daran, dass die Fahrt ganz überwiegend im Interesse der PKW-Halterin hätte liegen müssen. Zwar habe die Beklagte mit dem Versprechen, sie nach der Arbeit mit dem PKW abzuholen, auch ihrer Freundin einen Gefallen erweisen wollen. Zugleich habe jedoch auch die Beklagte selbst vom PKW der Klägerin profitiert; denn sie habe es sich dadurch erspart, am Nachmittag umständlich mit dem Zug nach Hause fahren zu müssen. Aufs Ganze gesehen habe die zeitweilige Übernahme des PKW durch die Beklagte somit im Interesse beider Freundinnen gelegen.
Für ihre Behauptung, sie habe auf das Fahrzeug keinen Wert gelegt und die Klägerin habe es ihr geradezu aufgedrängt, sei die Beklagte den Beweis schuldig geblieben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.03.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Nürnberg
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