21.11.2024
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Dokument-Nr. 2990

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Beschluss14.06.1994Landgericht Nürnberg-Fürth13 S 10228/93
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Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss14.06.1994

Unter­las­sungs­an­spruch gegen Zusendung unverlangten Werbematerials per TelefaxErlaubt nur bei mutmaßlichem Einverständnis des Empfängers

Gegen "belästigende Werbung" per Telefax kann sich der Anschlußinhaber notfalls auch gerichtlich zur Wehr setzen. Sofern Wieder­ho­lungs­gefahr besteht, kann er dem Absender verbieten lassen, ihm weiterhin unverlangtes Werbematerial mittels Fernkopie zu übersenden. Dies stellte das Landgericht Nürnberg-Fürth in einem Zivilprozeß klar.

Von einem still­schwei­genden Einverständnis des Anschlu­ß­in­habers dürfe der Absender nur dann, ausgehen, wenn Grund zur Annahme bestehe, daß dem Empfänger nicht nur am Inhalt des Werbeschreibens gelegen sei, sondern auch und gerade an dessen Übermittlung per Telefax.

Im konkreten Fall ging es laut Begleit­schreiben um ein "spezielles Immobilien-Angebot mit interessanten 50 prozentigen Steuer­son­der­ab­schrei­bungen" in Berlin und den neuen Bundesländern. Absenderin war eine Berliner Immobilien-Gesellschaft. Auf die Empfängerin, eine GmbH aus dem Nürnberger Umland, war das Unternehmen offenbar deshalb gestoßen, weil diese in ihrem Firmennamen ebenfalls den Begriff "Immobilien" führte. Außerdem hatte sie sich unter Angabe ihres Unter­neh­mens­ge­gen­standes in das CD-Telefax-Verzeichnis der Postreklame aufnehmen lassen. Daraus glaubte die Absenderin auf ein berufliches Interesse an ihren Grund­s­tück­s­an­geboten schließen zu können.

Eine glatte Fehlein­schätzung, wie sich hinterher herausstellte. Die GmbH wertete nämlich das zwei Seiten umfassende Schreiben keineswegs als willkommene Information, sondern als aufdringliche Belästigung. Ganz abgesehen davon könne sie mit dem Werbematerial nichts anfangen; denn ihre Geschäfts­in­teressen konzentrierten sich auf den Großraum Nürnberg und hätten keinerlei Bezug zu Bauprojekten in den neuen Bundesländern. Das Zufaxen unerwünschter Werbeschriften bringe nur den Geschäfts­betrieb durcheinander. Das Faxgerät werde unnötig blockiert und teures Faxpapier werde unnütz verschwendet. Darüber hinaus gehe wertvolle Arbeitszeit verloren, wenn die Faxeingänge jedesmal erst daraufhin überprüft werden müßten, ob sie wichtige Mitteilungen enthielten oder nur brauchbares Werbematerial.

Das Amtsgericht Hersbruck und ihm folgend das Landgericht Nürnberg-Fürth gaben der Telefax-Besitzerin recht. Nach Auffassung der Richter verstieß die Berliner Immobilienfirma durch die Art und Weise ihrer Kontaktaufnahme gegen § 1 UWG (= Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Dort heißt es:

"Wer im geschäftlichen Verkehr Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden."

Für den Bereich der Telex-Werbung hatte der Bundes­ge­richtshof (BGH NJW 1973, 42/43) schon früher entschieden, daß aufgedrängte Reklame über den Fernschreiber unlauter sein und durch Unter­las­sungsklage abgewehrt werden könne. Eine still­schweigende Einwilligung des Anschlu­ß­in­habers dürfe man in der Regel nur dann unterstellen, wenn das Werbematerial "sachbezogen" sei, also einen inhaltlichen Bezug zum Geschäft des Empfängers habe. Die Sachbezogenheit allein genüge aber nicht. Zusätzlich müsse Grund zur Annahme bestehen, daß der Empfänger auch und gerade mit dieser Art der Übermittlung einverstanden ist.

Diese zur Telex-Werbung entwickelten Grundsätze sind nach Auffassung des Landgerichts Nürnberg-Fürth auch auf die Werbung per Telefax anzuwenden. Hier wie dort sei abzuwägen zwischen dem Interesse des Absenders, Kontakt zu Kunden aufzunehmen, und dem Interesse des Empfängers, den Verbrauch des teuren Telefax-Papiers, die Abnutzung des Gerätes und den Zeitaufwand für die Bearbeitung der eingegangenen Schriftstücke zu begrenzen sowie den Telefax-Anschluß für wichtigere Schreiben freizuhalten.

Im konkreten Fall könne man dem Infor­ma­ti­o­ns­ma­terial zwar nicht die vom BGH geforderte Sachbezogenheit absprechen; denn es betreffe Immobi­li­en­ge­schäfte, also einen Geschäftszweig, mit dem sich laut ihrer Firmen­be­zeichnung auch die Empfängerin befaßt. Es sei jedoch kein Grund dafür ersichtlich, weshalb dieses Angebot nicht ebensogut mit normaler Briefpost habe übersandt werden können. Eine besondere Eilbe­dürf­tigkeit, die eine Zusendung per Telefax hätte nahelegen können, lasse der Inhalt der Schreiben jedenfalls nicht erkennen.

Das Vorgehen der Berliner Immobilienfirma sei somit als unlautere Werbung zu bewerten, gegen die sich die Empfängerin mit einer Unter­las­sungsklage zur Wehr setzen könne.

Quelle: ra-online, OLG Nürnberg

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