Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss24.06.2021
Zweifel zum Vorliegen des Willens zur Einlegung eines Rechtsmittels muss durch Nachfrage geklärt werdenZweifel aufgrund fehlender Verwendung des Worts "Beschwerde", Rechtsunkundigkeit und mangelnder Sprachkenntnisse
Bestehen Zweifel daran, ob eine Erklärung an ein Gericht als Einlegung eines Rechtsmittels zu verstehen ist, muss das Gericht diese Zweifel durch Nachfrage klären. Zweifel können etwa bestehen, wenn die Erklärung nicht das Wort "Beschwerde" oder ein ähnliches Wort enthält und der Erklärende rechtsunkundig sowie der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Dies hat das Landgericht Nürnberg-Fürth entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2021 erhielt ein Beschuldigter vom Amtsgericht Nürnberg einen Strafbefehl, wonach dieser eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 € zu zahlen hatte. Gegen den Strafbefehl legte der Beschuldigte verspätet Einspruch ein. Daher verwarf das Gericht den Einspruch als unzulässig. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnte das Gericht ebenfalls ab. Daraufhin erhielt das Gericht ein Schreiben des Beschuldigten mit folgendem Inhalt:
"…Ich habe alles beweise schon vorgelegt aber Ich glaube Sie will nicht hören oder wissen. Die Kosten konnen Sie etwas tun weil ich habe ein Früh geburt Kind und mein Frau auch Arbeitet nicht so tun was! oder schicken Sie mich die Kosten und Ich zahlen in Raten 30 € monatlich weil ich zahlen auch zurück die JobCenter…"
Das Gericht wertete das Schreiben als sofortige Beschwerde , half ihr nicht ab und leitete den Fall an das Landgericht weiter.
Kein Vorliegen einer sofortigen Beschwerde
Das Landgericht Nürnberg-Fürth wertete die Erklärung des Beschuldigten nicht als sofortige Beschwerde oder als ein sonstiges Rechtsmittel. Als ein Rechtsmittel könne eine Erklärung nur dann ausgelegt werden, wenn aus ihr der Anfechtungswille hervorgeht. Dies sei hier nicht der Fall. Die Erklärung des Beschuldigten sei uneindeutig und unklar. Die somit bestehenden Zweifel hätten durch eine Nachfrage geklärt werden müssen.
Bitte um Ratenzahlungsvereinbarung lag vor
Ein Telefonat mit dem Beschuldigten habe ergeben, so das Landgericht, dass es ihm letztlich um eine Ratenzahlungsvereinbarung ging. Dies sei auch bereits aus dem überwiegenden Teil des Schreibens hervorgegangen. Im Gesamten Schreiben wird jedenfalls nicht einmal das Wort "Beschwerde" oder ein ähnliches Wort verwendet. Zudem sei zu beachten, dass der Beschuldigte rechtsunkundig und kein deutscher Muttersprachler ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 12.07.2021
Quelle: Landgericht Nürnberg-Fürth, ra-online (vt/rb)