Anders wäre die Entscheidung wohl ausgefallen, wenn die Frau das Schneeball-System selbst voll durchschaut gehabt hätte. Dann wäre sie nicht schutzwürdig gewesen und hätte keinen Anspruch auf Ausgleich ihres Verlustes gehabt. Davon konnte jedoch nach Ansicht der Richter im konkreten Fall keine Rede sein. Vielmehr sei die Frau den Überredungskünsten geschulter Mitarbeiter - darunter des Beklagten - erlegen und habe die hohen Risiken ihrer Investition nicht überblickt.
Den Anstoß zu ihrem Beitritt gaben Verheißungen und Verlockungen während einer Werbeveranstaltung in Nürnberg. Bei der Präsentation pries ein Redner die Vorzüge des Systems in den höchsten Tönen. Die Stimmung unter den Teilnehmern war geradezu euphorisch. Auch die Klägerin war tief beeindruckt und ließ sich schließlich breitschlagen, in das Vertriebs-System mit den scheinbar blendenden Gewinnaussichten einzusteigen. Für ihre Teilnahme musste die Nürnbergerin 5.500 DM berappen.
Den gerichtlichen Feststellungen zufolge wurde sie jedoch vor ihrer Unterschrift weder ausreichend über die Risiken aufgeklärt noch wurde ihr der Schneeball-Charakter des Gewinnspiels klar vor Augen geführt. Auch der Beklagte selbst begnügte sich in einem persönlichen Informations-Gespräch nur mit eher allgemeinen Floskeln, die die Risiken mehr verschleierten als klar herausstellten.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth wertete den Beitritts-Vertrag als sittenwidrig. Das ganze Vertriebs-System funktioniere nach dem Schneeball-Prinzip. Je mehr Teilnehmer bereits mitmachen, desto enger werde der Kreis potenzieller Neu-Kunden. In der Praxis führe dies dazu, dass - außer den Veranstaltern selbst - nur die Spitze der Teilnehmer-Pyramide einen Gewinn erwarten könne, während die Masse der später dazu stoßenden Mitglieder leer ausgehe.
Der beklagte Marketing-Manager habe all diese Umstände gekannt und sei sich des Schneeball-Charakters durchaus bewusst gewesen. Gleichwohl habe er im sogenannten "Manager-Gespräch", das dem Beitritt vorausging, die Klägerin zur Teilnahme überredet, ohne sie ausreichend über die Eigenart des Vertriebs-Systems und die damit verbundenen Risiken aufzuklären. Ihm sei es lediglich darum gegangen, im Falle ihres Beitritts seine Provision kassieren zu können. Dass die Frau am Ende wahrscheinlich leer ausgehen werde, habe er um seines eigenen Profits willen in Kauf genommen. Letztlich habe er sein Opfer auf diese Weise vorsätzlich geschädigt.
Zwar müsse sich die Geschädigte vorhalten lassen, dass sie den Verheißungen allzu leichtgläubig auf den Leim gegangen war. Ein eventuelles Mitverschulden der Klägerin wiege aber eher gering und falle gegenüber dem schwerwiegenden Fehlverhalten des Beklagten nicht ins Gewicht.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte den Beklagten in zweiter und letzter Instanz, der Klägerin die als Mitglieds-Beitrag eingezahlten 5.500 Mark zu ersetzen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.03.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Nürnberg