21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Landgericht München I Urteil08.04.2005

LG München hält die Räum- und Streupflicht erst ab 6.30 Uhr für angemessenWer zu früh aufsteht, hat das Nachsehen

Die Räum- und Streupflicht besteht nach einer Entscheidung des Landgerichts München I nicht rund um die Uhr, sondern darf durch Verordnung für Bereiche ohne besondere Verkehrs­be­deutung zeitlich beschränkt werden. Das Gericht hielt einen Zeitrahmen von 6.30 bis 20.00 Uhr an Werktagen für ausreichend und angemessen.

Ein Monteur aus Unter­schleißheim hatte an einem Werktag im Januar 2003 gegen 6.00 Uhr das Haus verlassen. Um zu seinem geparkten Auto zu gelangen, musste er eine Strecke von ca. 2 m über einen Gehweg zurücklegen. Er rutschte bei Glatteis auf dem Gehweg aus und stürzte so unglücklich, dass er nicht mehr aufstehen konnte. Per Handy verständigte er seine Ehefrau, die sofort einen Krankenwagen rief. Infolge des Sturzes erlitt der Monteur eine schwere Knieverletzung mit Kreuzbandriss, Innenmeniskus- und Knorpel­be­schä­digung. Er musste fünfmal operiert werden und trug einen bleibenden Knieschaden mit belas­tungs­ab­hängigen Beschwerden und einem Muskeldefizit des rechten Beins davon.

Er verklagte die Stadt Unter­schleißheim auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung ihrer Verkehrs­si­che­rungs­pflicht. Die Stadt Unter­schleißheim hat die Räum- und Streupflicht durch Verordnung vom 19.7.2002 geregelt. Nach dieser Verordnung müssen die Anlieger an Werktagen von 6.30 bis 20.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 7.30 bis 18.00 Uhr räumen und streuen. Der Kläger hält diese Regelung für unangemessen. Nach seiner Ansicht hätte die Stadt entweder den Beginn der Räum- und Streupflicht auf 5.30 Uhr festsetzen oder eine Ausnah­me­re­gelung für besondere Witte­rungs­be­din­gungen, z.B. bei starker Vereisung im Winter treffen müssen. Die allgemeine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht bestehe außerdem zeitlich unbegrenzt von .00 bis 24.00 Uhr. Seinen materiellen Schaden aus dem Glatteisunfall vom Januar 2003 bezifferte der Kläger auf rund 32.000,- €; insbesondere verlangte er Verdien­st­ausfall für 2003 und 2004 ersetzt, da er wegen seiner Knieverletzung nicht als Monteur arbeiten konnte. Außerdem sollte die Stadt Unter­schleißheim ihm ein Schmerzensgeld von 20.000,- € bezahlen.

Die Stadt wies sämtliche Vorwürfe des Klägers zurück. Der Kläger sei vor 6.30 Uhr gestürzt. Zu dieser Zeit habe keine Räum- und Streupflicht der Anleger oder der Stadt bestanden. Die hierzu erlassene Verordnung vom 19.7.2002 stelle eine angemessene Regelung dar. Es müsse an Werktagen zu Beginn des Haupt­be­rufs­verkehrs in der Regel spätestens bis 7.00 Uhr geräumt und gestreut sein. Der Gehweg, auf dem der Kläger ausgerutscht sei, sei nicht verkehrswichtig und werde nur von den Anwohnern benutzt.

Die 6. Zivilkammer des Landgerichts München I gab der Stadt Unter­schleißheim Recht. Einzelrichterin Brychcy führte in ihrem Urteil vom 8.4.2005 hierzu aus, es müsse nach der Rechtsprechung der Oberlan­des­ge­richte zu Beginn des Haupt­be­rufs­verkehrs, also an Werktagen in der Regel bis spätestens 7.00 Uhr geräumt und gestreut sein. Die Stadt Unter­schleißheim habe dies durch Verordnung angemessen geregelt. Außerhalb der durch Satzung oder Verordnung geregelten Zeiten bestehe im Umkehrschluss keine Streupflicht. Der Gehweg zum Haus des Klägers sei für die Anwohner wichtig, habe aber keine darüber hinausgehende besondere Verkehrs­be­deutung. Es bestehe daher keine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht der Beklagten von .00 bis 24.00 Uhr. Die Verordnung der Stadt sei rechtmäßig. Weder sei es erforderlich, den Beginn der Streupflicht auf 5.30 Uhr festzusetzen noch müsse eine Sonderregelung für bestimmte Witte­rungs­be­din­gungen geschaffen werden. Eine solche Ausgestaltung der Verordnung hätte nur zur Rechts­un­klarheit geführt. Kein Anlieger wäre sich sicher gewesen, wann eine besondere Ausnah­me­si­tuation anzunehmen wäre, die zum Räumen und Streuen verpflichte. Hätte die Stadt angeben müssen, wie dick das Eis sein müsste oder wie viel Schnee in cm gefallen sein müsste, damit die Ausnah­me­re­gelung greift? Wäre es eine Pflicht der Anleger gewesen, morgens um 5.00 Uhr aufzustehen und die Eisdicke oder Schneehöhe nachzumessen, um festzustellen, dass geräumt oder gestreut werden muss? Müsste die Beklagte einen Mitarbeiter beschäftigen, der dies kontrolliert und gegebenenfalls die Anlieger um 5.00 Uhr weckt, damit diese wissen, dass der Ausnahmefall der Verordnung eingetreten ist? Das Gericht hielt eine solche Ausgestaltung der Verordnung weder für rechtlich geboten noch für praktikabel.

Es wies daher die Klage mit dem Ausdruck des Bedauerns für den schwer geschädigten Kläger aus Rechtsgründen ab.

Quelle: Pressemitteilung des Landgericht München I vom 10.06.2005

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