15.11.2024
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Dokument-Nr. 2964

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Landgericht München I Urteil07.09.2006

Verweigerte Abfindung an Ex-Vorstand von Infineon muss ausgezahlt werdenPflicht­ver­letzung war bereits bei Abschluss der Aufhe­bungs­ver­ein­barung bekannt

Der Kläger hatte von der Beklagten bei seinem Ausscheiden als Vorstand im Dezember 2004 eine Abfindung von € 5.250.000,-- brutto zugesagt bekommen, die bislang nur zur Hälfte ausgezahlt wurde. Den zweiten Teil hatte die Beklagte im Hinblick auf die gegen den Kläger zwischen­zeitlich erhobenen Vorwürfe von Pflicht­ver­let­zungen bei seiner Amtsführung zurückgehalten. Diese Umstände hätten die Geschäfts­grundlage für die seinerzeitige Aufhe­bungs­ver­ein­barung samt Abfin­dungs­klausel entfallen lassen, so die Argumentation der Beklagten.

Die Klage auf Auszahlung dieser Restsumme von € 2.625.000,-- brutto hatte nun - vorbehaltlich des Ausgangs eines noch möglichen Nachverfahrens (siehe Hinweis unten) - vor dem Landgericht München I Erfolg.

Die für aktien­rechtliche Streitigkeiten zuständige 5. Kammer für Handelssachen sah es zwar als möglich an, die Nichtexistenz erheblicher Pflicht­ver­let­zungen zur Geschäfts­grundlage einer Aufhe­bungs­ver­ein­barung zu machen. Im konkreten Fall hätte der Aufsichtsrat aber schon bei Abschluss dieser Vereinbarung Kenntnis gehabt, dass der Kläger im Verdacht stand, private und dienstliche Interessen zum Nachteil des Unternehmens verquickt zu haben. Derartige Vorwürfe könnten daher nicht nachträglich wegen Wegfalls der Geschäfts­grundlage einen Rücktritt von der Vereinbarung rechtfertigen, so die Richter:

"Wenn der Vorsitzende des Vertre­tungs­organs der Beklagten aus unter­schied­lichen Quellen Hinweise auf Fehlverhalten hat und dann einen Aufhe­bungs­vertrag abschließt, der keine Regelungen darüber enthält, welche Folgen es hat, wenn bestimmte Vorwürfe sich bewahrheiten sollten, so kann dies zwar aus übergeordneten unter­neh­me­rischen Erwägungen im Einzelfall gerechtfertigt sein. Allerdings kann es dann nicht als unzumutbar angesehen werden, an dem Aufhe­bungs­vertrag festzuhalten."

"Abstecher" des Klägers mit Learjets in den Jahren 2002 bis 2004, wie etwa von einem Termin mit dem seinerzeitigen Bundeskanzler auf der CeBIT in Hannover zu einem Autorennen in Mallorca, bei dem der Kläger mitfuhr, konnten daher den Rücktritt vom Aufhe­bungs­vertrag nicht begründen, obwohl der Kläger sie in voller Höhe von der Beklagten hatte bezahlen lassen. Denn schon im Jahr 2004 hatte die frühere Sekretärin des Klägers dessen Nachfolger und späteren Aufsichts­rats­vor­sit­zenden in einer E-Mail darauf aufmerksam gemacht, dass der Kläger bei privaten Urlaubsreisen häufig versucht habe, am Urlaubsziel einen "geschäftlichen" Termin zu vereinbaren, um einen First-Class-Flug auf Firmenkosten zu rechtfertigen. Auch ehemalige Vorstands­kollegen hatten den Aufsichts­rats­vor­sit­zenden damals bereits darauf hingewiesen, der Kläger verursache durch sein Verhalten auch finanzielle Schäden für das Unternehmen.

Bei weiteren geltend gemachten Pflicht­ver­let­zungen konnte die Beklagte den Nachweis durch die allein als Beweismittel zulässigen Urkunden nicht führen. So konnte etwa die Behauptung, der Kläger habe für die Beklagte einen Mercedes-Van zu monatlichen Leasingraten von über 3.000,- DM ausschließlich deswegen bestellt, um ihn dann privat zusammen mit seiner Ehefrau zu nutzen, nicht urkundlich belegt werden. Dasselbe gilt für Vorwürfe wegen Zahlungen aus dem Bereich Motorsponsoring.

Hinsichtlich des Angebots an die Nichte eines Geschäfts­partners, die der Kläger wenige Tage zuvor kennen gelernt hatte, ihr die Leitung eines erst noch zu gründenden "Relationship Office" in New York zu übertragen, verwies die Kammer darauf, dass der Beschluss zur Unterbreitung eines Arbeits­ver­trages schließlich formgerecht vom Gesamtvorstand gefasst wurde. Auch im Übrigen könne auf eine rein private Motivation nicht mit ausreichender Sicherheit geschlossen werden:

"Diese unter­neh­me­rische Entscheidung, auch an der Ostküste der Vereinigten Staaten von Amerika mit einem Büro als Repräsentanz vertreten sein zu wollen, ist angesichts der Größe der Beklagten und der Bedeutung des US-amerikanischen Marktes für die Kammer durchaus nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als in New York in der Wall Street eine der bedeutendsten Börsen der Welt angesiedelt ist. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass rein private Gründe den Kläger motiviert hätten."

Hinweis:

Da die Klage im Urkunds­ver­fahren erhoben wurde, konnten bei der Entscheidung zunächst nur Ansprüche und Einwendungen Berück­sich­tigung finden, die durch Urkunden belegt sind. Ansprüche und Einwendungen, zu deren Nachweis andere Beweismittel, wie etwa Zeugen und Sachverständige erforderlich sind, können erst in einem so genannten Nachverfahren geltend gemacht werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 69/06 des LG München I vom 07.09.2006

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