21.11.2024
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Dokument-Nr. 1778

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Landgericht München I Urteil29.11.2005

Außer Spesen nichts gewesen

Mit der Qualität gefrorener Paprikastreifen hatte sich das Landgericht München I zu befassen. Am Ende eines langwierigen Rechtsstreits zeigte sich, dass gegenüber sämtlichen einzelnen Kosten­po­si­tionen (Lagerung der Ware, Kosten der Beweisaufnahme, Gerichts- und Anwaltsgebühren) der erzielbare Verkaufswert der gelieferten Ware den geringsten Betrag ausmachte.

Eine spanische Frucht- und Gemüsehändlerin klagte auf Zahlung von € 11.884,14. Dies war der vereinbarte Preis einer Lastwagenladung "gelber Paprikastreifen 5 bis 7 mm IQF" (Individually Quick Frozen), den eine im Raum München ansässige Großhändlerin bestellt hatte.

Die Ware hatte die Klägerin im Juni 2001 einem Kühlfracht­un­ter­nehmen übergeben, das diese direkt aus Murcia an den Abnehmer der Beklagten in Halle lieferte. Bei der Ankunft machte dieser geltend, die Paprikastreifen seien glasig, zu 36 % gebrochen und mit Eiskristallen verblockt. Dies gab die Beklagte an die Klägerin weiter, wies darauf hin, dass der Kunde die Lieferung nicht gebrauchen könne und Ersatz erwarte, und fragte nach, was mit der Ladung geschehen solle. Diese ließ der Kunde einstweilen in ein Kühlhaus einlagern. Ein Versuch der Klägerin, die Ware an einen anderen Abnehmer zu liefern, schlug fehl. Im November erklärte sie daher, sie werde die Ware nicht mehr abholen, woraufhin die Beklagte sie im Dezember an einen Konser­ven­her­steller verkaufte. Da sie dabei nur einen Preis von 3.229,42 € erzielte und zudem (neben weiteren Kosten) schon allein für die Lagerung im Kühlhaus 3.408,50 € aufgewandt hatte, war sie zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises nicht bereit.

Die Lieferantin erhob Klage zum Landgericht München I. Da sie behauptete, die Ware der Kühlspedition mangelfrei übergeben zu haben, musste der als Einzelrichter tätige Vorsitzende der 5. Kammer für Handelssachen in detektivischer Kleinarbeit den gesamten Weg der Lieferung nachvollziehen und klären, ob Mängel vorlagen, wo diese entstanden und wer für sie verantwortlich war. Nach Vernehmung von drei Zeugen und der Anhörung eines Sachver­ständigen in München, der Erholung eines weiteren schriftlichen Sachver­stän­di­gen­gut­achtens, einer schriftlichen Zeugenbefragung und der Vernehmung von zwei Zeugen im Rechtshilfewege durch Amtsgerichte in Murcia und Albacete, Spanien, sah der Vorsitzende Richter klarer:

Er stellte fest, dass

- die Paprikastreifen in Halle tatsächlich gebrochen und zusam­men­ge­froren ankamen;

- die Kühltemperatur der Ware beim Beladen des Lkw in Spanien -22° und bei der Ankunft in Halle -19° betrug;

- Verblockung bei Gemüsestreifen, die als "IQF" angeboten werden, einen gravierenden Mangel darstellt, da die Weiter­ver­a­r­beitung erheblich er-schwert wird, was die Ware nahezu unverkäuflich macht;

- ein Anteil von 36 % gebrochener Streifen ebenfalls nicht hinnehmbar ist;

- sowohl der Bruch als auch die Verblockung bereits bei der Ablieferung der Ware durch die Klägerin an die Spedition vorgelegen haben muss, da die Verblockung erst bei Temperaturen über -15° einsetzt und Kühl-Lkws nicht in der Lage sind, derart erwärmte Ware wieder auf -19° herun­ter­zu­kühlen;

- die Beklagte die Vertrags­wid­rigkeit der Ware rechtzeitig und (in englischer Sprache per E-Mail) in einer nach dem anwendbaren UN-Kaufrecht aus-reichenden Form gerügt hat.

Der Vorsitzende Richter kam daher zu folgendem Ergebnis:

"Die Nichterfüllung der Pflicht aus Art. 35 Abs. 1 CISG zur Lieferung vertrags­kon­former Ware stellt vorliegend eine wesentliche Vertrags­ver­letzung dar. Die Mängel sind als gravierend zu betrachten, weil sie mit zumutbarem Aufwand in angemessener Zeit nicht zu beheben sind und der Käufer hierfür keine vertrags­an­ge­messene Verwendung hat. Ware, die zu mehr als einem Drittel gebrochen ist und die auch nicht vertragsgemäß vom Abnehmer der Beklagten weiter­ver­a­r­beitet werden kann, ist in erheblichem Maße als mangelhaft zu bezeichnen. Eine Beseitigung der Verblockung und des Bruchs ist nicht möglich. Die Abweichungen von der vertraglich geschuldeten Qualität sind erheblich. Deshalb kann es der Beklagten als Käuferin auch nicht zugemutet werden, die Ware zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen. Es liegt hier angesichts des erheblichen Ausmaßes der Schäden keine Situation vor, die derjenigen vergleichbar wäre, in der die Handelsware mit kleinen Fehlern vom Käufer abgenommen werden muss, wenn er sie - verbilligt - weiterveräußern kann und sich die Rechtsbehelfe dann auf Minderung oder Schadensersatz beschränken."

Er wies die Klage ab und erlegte der Klägerin die Kosten des Verfahrens auf. Dabei sind allein für die erforderlich gewordene Beweisaufnahme € 3.685,69 angefallen. Hinzu kommen noch die Gerichtskosten und die Kosten der beteiligten Anwälte, die diesen Betrag sogar übersteigen dürften.

Quelle: Pressemitteilung des LG München I vom 24.01.2006

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