09.08.2025
Unser Newsletter wird demnächst umgestellt...

Als Nachfolger des erfolgreichen Portals kostenlose-urteile.de werden wir demnächst auch dessen Newsletter übernehmen und unter dem Namen urteile.news weiter betreiben.

Solange können Sie sich noch über kostenlose-urteile.de bei unserem Newsletter anmelden. Er enthält trotz des Namens kostenlose-urteile.de alle neuen Urteilsmeldungen von urteile.news und verweist auch dahin.

Wir bitten für die Unannehmlichkeiten um ihr Verständnis.

> Anmeldung und weitere Informationen
09.08.2025 
Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 35287

Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.
Drucken
Urteil10.07.2025Landgericht München I43 O 18215/19
ergänzende Informationen

Landgericht München I Urteil10.07.2025

Ehemaliger Bankvorstand haftet für risikoreiche Geschäfte

Das Landgericht München I hat ein ehemaliges Vorstands­mitglied einer in München ansässigen Bank zur Herausgabe/Zahlung von 1 Mio. € an den Kläger (hier: Insol­venz­ver­walter) verurteilt. Außerdem hat das Gericht festgestellt, dass der Beklagte sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die der Bank aufgrund eines risiko­be­hafteten Steuermodells im Zusammenhang mit den streit­ge­gen­ständ­lichen, durchgeführten Aktien­ge­schäften entstanden sind. Über das Vermögen der Bank wurde das Insol­venz­ver­fahren eröffnet.

Die Bank hatte als Depotbank im Zeitraum zwischen April 2016 und Februar 2017 Dividenden und Dividen­den­kom­pen­sa­ti­o­ns­leis­tungen ohne Abzug von Kapita­l­er­trag­steuer und Solida­ri­täts­zu­schlag an eine gemeinnützige Gesellschaft ausgezahlt. Die Kapita­l­er­trag­steuer und der Solida­ri­täts­zu­schlag hätten sich auf ca. 37,2 Mio. Euro belaufen. Die gemeinnützige Gesellschaft hatte (fremdfinanziert) über ihr bei der Bank geführtes Depot Aktien im Gesamtwert von ca. 3,8 Mrd. € erworben und jeweils für nur wenige Tage über den Dividen­den­stichtag gehalten. Insgesamt überwies die Bank ca. 141 Mio. € Dividenden und Dividen­den­kom­pen­sa­ti­o­ns­leis­tungen an die gemeinnützige Gesellschaft.

Das Finanzamt nahm die Bank deswegen in Haftung. Das daraufhin eingeleitete finanz­ge­richtliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Nach Erlass des Haftungs­be­scheides im März 2018 ist das Insol­venz­ver­fahren über das Vermögen der Bank eröffnet worden.

Der klagende Insol­venz­ver­walter hatte geltend gemacht, die beiden ehemaligen Vorstands­mit­glieder der Bank hätten sich über Bedenken der hauseigenen Compliance-Abteilung hinweggesetzt, das risikobehaftete Steuermodell durchgeführt und dadurch dem Vermögen der Bank geschadet. Der Beklagte habe dafür, dass er das Geschäft ermöglicht habe, über diverse ausländische Firmen eine Zahlung von 1 Mio. Euro erhalten, die die gemeinnützige Gesellschaft geleistet habe. Auch diese Zahlung müsse er an den Kläger herausgeben.

Das beklagte ehemalige Vorstands­mitglied ist der Auffassung, die Bank sei nicht verpflichtet gewesen, die auf die Dividenden entfallende Kapita­l­er­trag­steuer einzubehalten. Eine Entscheidung des Bundefinanzhofs in einem ähnlich gelagerten Fall zeige indiziell, dass ihm ein Vorwurf nicht gemacht werden könne.

Über steuer­rechtliche Fragen hat das Landgericht München I nicht entschieden. Das Gericht hat sich jedoch mit der Frage ausein­an­der­gesetzt, ob der Vorstand durch die Beteiligung der Bank an dem streit­ge­gen­ständ­lichen Geschäftsmodell seine Sorgfalts­pflichten aus dem Aktiengesetz verletzt habe und dies bejaht. Das Gericht hat daher einen Schaden­er­satz­an­spruch der Bank gegen den eigenen Vorstand festgestellt. Zwar gebe es keine Pflicht des Vorstands, niemals existenz­ge­fährdende Risiken einzugehen. In dem zu entscheidenden Fall sei die Insolvenz der Bank jedoch aus objektiver Sicht zu wahrscheinlich gewesen, als dass der Vorstand dieses Risiko hätte eingehen dürfen. Auch für den Fall einer im Nachhinein günstigen Entscheidung des Bundes­fi­nanzhofs sei bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der Geschäfte absehbar gewesen, dass ein Haftungs­be­scheid des Finanzamts die Insolvenz der Bank herbeiführen würde. Auf das Ergebnis eines Rechts­gut­achtens hätte sich der Vorstand insoweit nicht verlassen dürfen, da auch darin Restrisiken erkennbar waren. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs Banken verpflichtet seien, bei bestehender Ungewissheit über die Rechtslage sicher­heits­halber den Steuerabzug vorzunehmen.

Darüber hinaus sei der Beklagte auch verpflichtet, die im Zusammenhang mit den Geschäften erhaltene Zahlung von 1 Mio. € an die Bank herauszugeben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund:

1. Das hier zu Grunde liegende Steuermodell ist aus sog. „cum/cum“-Geschäften entwickelt worden. Es sieht vor, dass eine gemeinnützige Gesellschaft Aktien über den Dividen­den­stichtag erwirbt. In diesem Fall, so die zugrunde liegende Annahme, darf die Depot führende Bank als auszahlende Stelle die Dividende ohne Abzug von Kapita­l­er­trag­steuer und Solida­ri­täts­zu­schlag auszahlen. Um ein Steuermodell handelt es sich deshalb, weil die gemeinnützige Gesellschaft die Aktien jeweils nur für wenige Tage über den Dividen­den­stichtag erwirbt und danach sofort wieder veräußert. Während der Haltedauer sichert sie sich zudem gegen Kursrisiken durch Gegengeschäfte ab.

2. Das Finanzamt München und das Finanzgericht München sind der Auffassung, dass die Bank die auf die dividen­den­be­zogenen Zahlungen entfallende Kapita­l­er­trag­steuer samt Solida­ri­täts­zu­schlag im Umfang von etwa 37,2 Mio. € hätte abführen müssen und für die Verletzung dieser Pflicht hafte. Insbesondere sei für die Bank klar erkennbar gewesen, dass die gemeinnützige Gesellschaft die Aktien­trans­ak­tionen nicht im Rahmen ihres Satzungszwecks durchgeführt und damit gemein­nüt­zig­keits­schädlich gehandelt habe.

3. Das Haupt­sa­che­ver­fahren gegen den Haftungs­be­scheid ist noch nicht abgeschlossen. Es steht daher weiterhin nicht fest, ob die Bank endgültig für die Beträge haften muss. Im Zuge eines Paral­lel­ver­fahrens betreffend die Vorauszahlung von Körper­schaft­steuer hat der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 04.03.2020 einer Beschwerde der dort involvierten gemeinnützigen Gesellschaft stattgegeben.

Quelle: Landgericht München I, ra-online (pm/pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil35287

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI