18.10.2024
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Sie sehen verschiedene Szenen aus der Wirtschaftswelt und ein zentrales Paragrafenzeichen.

Dokument-Nr. 30377

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Landgericht München I Urteil09.06.2021

Regelungen zu Vorver­kaufs­ge­bühren für abgesagte Veranstaltungen unwirksamAGB-Klausel zur Nicht-Erstattungs­fähigkeit von Vorver­kaufs­ge­bühren für abgesagte Veranstaltungen unwirksam

Das Landgericht München I hat entschieden, dass die AGB-Klausel einer Tickethändlerin zur mangelnden Erstattungs­fähigkeit von Vorver­kaufs­ge­bühren für abgesagte Veranstaltungen unwirksam ist.

Die Klausel schloss die Erstattung der Vorver­kaufs­gebühr bei Absage oder Verlegung von Veranstaltungen aus. Dies sollte unabhängig von der Ausgestaltung der Vertrags­be­zie­hungen gelten, also sowohl bei einer bloßen Vermitt­lungs­leistung durch die Beklagte als auch beim Verkauf in Kommission.

Klausel benachteiligt Kunden in unangemessener Weise

Die Klausel der Tickethändlerin ist unwirksam. Zumindest in den Fällen, in denen die Beklagte die Tickets auf Kommis­si­onsbasis vertreibt, benachteilige die Klausel den Kunden entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben in unangemessener Weise. Da sie unterschiedslos für alle von der Beklagten ausgeübten Geschäftsarten gelten solle, sei die Klausel insgesamt und damit auch bei ihrer Verwendung im Rahmen der Eigen­ver­an­stal­tungen und des Vermitt­lungs­ge­schäfts unwirksam.

Ausschluss des Rücker­stat­tungs­an­spruch gegenüber Veranstalter problematisch

Nach dem Geschäftsmodell der Beklagten kann ein Ticketverkauf für Veranstaltungen Dritter rechtlich auf zweierlei Weise ausgestaltet sein: als Vermittlung im Rahmen einer Handels­ver­tretung oder als Kommissionskauf. Mögliche Ansprüche des Kunden auf Rückerstattung des Ticketpreises wegen Absage oder Verlegung der Veranstaltung richten sich beim Kommis­si­ons­ge­schäft ausschließlich gegen den Veranstalter. Indem die Klausel ausweislich ihres Wortlauts eine Erstattung der Vorver­kaufs­gebühr generell, und damit auch gegenüber dem Veranstalter, ausschließt, benachteiligt sie den Kunden unangemessen.

Durch­füh­rungs­risiko wird auf Kunden verlagert

Denn beim Kommissionskauf steht der Beklagten bei Erfüllung des Ausfüh­rungs­ge­schäfts mit dem Kunden ein Provi­si­ons­an­spruch allein gegen den Veranstalter zu. Dies gilt auch für Leistungs­stö­rungen aus der Sphäre des Veranstalters wie Veran­stal­tungs­absagen (§ 396 Abs. 1 S. 2 2. Hs. HGB). Durch den Ausschluss des Rücker­stat­tungs­an­spruch in Höhe der Provision wird das Durch­füh­rungs­risiko insoweit vom Veranstalter auf den Kunden verlagert. Denn der Kunde hätte die Provision der seitens des Veranstalters beauftragten Beklagten da-mit auch im Fall der Verlegung oder Absage der Veranstaltung zu tragen, obwohl es sich dabei um einen Umstand handelt, der ausschließlich im Verant­wor­tungs­bereich und in der Risiko-sphäre des Veranstalters liegt. Diese Abweichung vom gesetzlichen Leitbild benachteiligt den Kunden unangemessen.

Klausel außerdem intransparent

Ob die Beklagte den Rückfor­de­rungs­an­spruch in Höhe der Provision im Rahmen der Handels­ver­tretung zulässig ausschließen kann, hatte die Kammer nicht zu entscheiden. Die Beklagte darf jedenfalls in ihren Vertrags­be­din­gungen keine pauschale Regelung treffen, mit denen sie Ansprüche gegenüber dem Veranstalter von vornherein ausschließt. Die Klausel ist außerdem intransparent. Da die Höhe der Vorver­kaufs­gebühr beim Ab-schluss des Ticket-Kaufvertrages in vielen Fällen nicht gesondert ausgewiesen werde, könne der Kunde das wirtschaftliche Risiko, das sich aus dem in der Klausel angeordneten Aus-schluss der Erstat­tungs­fä­higkeit ergebe, nicht abschätzen.

Äußerungen zur Rechtslage bei Verlegung von Veranstaltungen in Frühphase der Corona-Pandemie unzulässig

Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Insbesondere Äußerungen zur Rechtslage bei Verlegung von Veranstaltungen in der Frühphase der Corona-Pandemie durch die Beklagte seien zulässig, da diese zur Überzeugung der Kammer nur Rechtsmeinungen darstellten und nicht irreführend seien.

Quelle: Landgericht München I, ra-online (pm/ab)

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