15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 1668

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Landgericht München I Urteil07.07.2005

Kunst und Verkehrs­si­cherung

Eine Besucherin der Pinakothek der Moderne erhält keinen Schadensersatz nach einem Sturz über die Vertie­fungsrinne eines Lüftungsgitters in einem Ausstel­lungsraum. Eine Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht durch fehlerhafte Anbringung des Lüftungsgitters oder unzureichende Absicherung desselben kann dem Freistaat Bayern als Errichter und Betreiber der Pinakothek der Moderne nicht vorgeworfen werden.

Die Klägerin hatte im September 2003 eine Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne besucht. Im Saal 21 befand sich damals eine Installation des Künstlers Mark Manders. Da es sich um einen eintrittsfreien Sonntag handelte, war die Ausstellung gut besucht. Um entge­gen­kom­menden Besuchern auszuweichen, war die Klägerin an der Außenwand entlang gegangen und mit dem linken Fuß auf eine dort verlaufende etwa 15 cm breite in den Boden versenkte Lüftungsrinne getreten. Sie war dabei umgeknickt und hatte sich den linken Außenknöchel gebrochen.

Mit der Klage verlangte sie Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen dieser Verletzung. Sie stellte sich auf den Standpunkt, der Freistaat habe seine Verkehrs­si­che­rungs­pflicht durch die Art und Weise der Raumin­sta­l­lation verletzt. Die an der Außenwand verlaufende Lüftungsrinne sei nur dann unbedenklich, wenn an den Wänden Bilder hängen würden. In diesem Fall würden Besucher nicht in die Nähe der Lüftungsrinne kommen, da sie die Bilder aus einem gebührenden Abstand zur Wand betrachten würden. Die besondere Gestattung des Ausstel­lungsraums hätte aber hier erhöhte Schutzmaßnahmen erfordert.

Der Freistaat wies jede Verantwortung für den tragischen Unfall zurück. Es seien alle gesetzlichen Unfall­ver­hü­tungs­vor­schriften eingehalten worden. Die Brand­schutz­di­rektion München habe die Raumeinteilung einschließlich der Breite des Fluchtwegs und der Lüftungsrinnen genehmigt.

Das Amtsgericht München gab dem Freistaat Bayern Recht. Es habe seit der Eröffnung der Pinakothek der Moderne bei über zwei Millionen Besuchern nur diesen einzigen Verletzungsfall gegeben. Die Brand­schutz­di­rektion habe gegen die Gestaltung des Raums keine Einwände erhoben. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht sei nicht erkennbar.

Auf die Berufung der Klägerin hin bestätigte die 34. Zivilkammer des Landgerichts München I diese Entscheidung des Amtsgerichts. Zwar sei durch das Kunstwerk von Mark Manders eine von der üblichen Ausstel­lungs­si­tuation abweichende Lage dadurch geschaffen worden, dass Besucher entlang der Außenwand laufen mussten. Doch sei die Vertie­fungsrinne des Lüftungsgitters deutlich farblich abgesetzt. Auch der Abstand zwischen Kunstwerk und Außenwand sei so groß gewesen, dass Besucher bequem aneinander vorbeigehen konnten, ohne auf das Lüftungsgitter zu treten. Von einem Museumsbesucher könne in diesem speziellen Fall besondere Achtsamkeit verlangt werden, wenn er wie hier bei erhöhtem Publi­kums­auf­kommen mit Hindernissen rechnen müsse. Die Installation habe nicht nur aus einem Kubus bestanden, sondern es habe weitere am Boden befindliche Teile und quer verlaufende Leitungen gegeben.

Das Berufungs­gericht verneinte ebenso wie das Amtsgericht ein Verschulden des Freistaats. Die Pinakothek der Moderne sei neu erbaut und entspreche den baurechtlichen Sicher­heits­an­for­de­rungen. Dies gelte auch für die vom Architekten als Stilelement angeordneten Lüftungsrinnen in ihrer speziellen Ausgestaltung. Für den Saal 21 sei unter brand­schutz­recht­lichem Aspekt nochmals eine konkrete Überprüfung erfolgt. Die Einhaltung baurechtlicher Vorschriften habe indizielle Wirkung dahin, dass damit gewöhnlich den Siche­rungs­pflichten genügt sei, insbesondere bei einem öffentlichen Gebäude, welches von vorne herein für den Publi­kums­verkehr bestimmt sei. Trotz großem Besucherandrang sei es seit Eröffnung der Pinakothek der Moderne nicht zu Schadensfällen mit ernsthaften Verletzungen in Zusammenhang mit den Lüftungsrinnen gekommen. Es könne dem Freistaat daher nicht vorgeworfen werden, im Saal 21 keine weiteren Siche­rungs­maß­nahmen hinsichtlich der Lüftungsgitter getroffen zu haben.

Erläuterungen
Vorinstanz:

AG München I, Urteil vom 15.12.2004, AZ 282 C 35052/03

Quelle: Pressemitteilung des LG München I

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