Dokument-Nr. 495
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Landgericht München I Entscheidung23.09.2004
Einmal Vollmacht – immer Vollmacht: Bank haftet nicht für Aktienverkauf aufgrund einer Depotvollmacht
Eine Münchner Privatbank muss keinen Schadensersatz wegen eines Aktienverkaufs aus dem Wertpapierdepot einer Kundin leisten, die hierfür keine ausdrückliche Genehmigung erteilt hatte. Wenn der Sohn der Kundin aufgrund Konto- und Depotvollmacht den Verkaufsauftrag erteilt, muss die Bank nicht von sich aus Nachforschungen zur Wirksamkeit des Auftrags anstellen. Sie hat nur dann eine Prüfpflicht, wenn der Vollmachtsmissbrauch aufgrund massiver Verdachtsmomente evident ist.
Eine Bankkundin hatte ihrem Sohn für zwei Wertpapierdepots Konto- und Depotvollmacht erteilt, die jedoch nicht zur Erteilung von Untervollmachten berechtigte. Anfang Mai 2001 wurde der Sohn wegen Verdachts des Anlagebetrugs festgenommen und befand sich für längere Zeit in Untersuchungshaft. Er benötigte Geld für seine Verteidigung. Seine Mutter hielt sich zu dieser Zeit in Spanien auf. Am 15.05.2001 übergab der Untersuchungsgefangene seinem Verteidiger eine schriftliche Vollmacht für seinen Bruder mit dem Auftrag, sämtliche Aktien aus den beiden Wertpapierdepots sofort in seinem Namen zu veräußern. Mit dieser Vollmacht sollte das Geld der Mutter aus den Depots eingesetzt werden, um die Bezahlung der Verteidigung sicherzustellen. Das Bankhaus lehnte den Verkauf der Wertpapiere aufgrund der Vollmacht jedoch zunächst ab mit dem Hinweis, dass dem inhaftierten Sohn die Erteilung einer Untervollmacht an den Bruder nicht gestattet sei. Zwei Tage später übergab der Verteidiger der Bank ein maschinenschriftlich vorgefertigtes, handschriftlich unterzeichnetes, als "Vollmacht" bezeichnetes Schriftstück, in welchem sein Mandant das Bankhaus unwiderruflich zur Veräußerung der Aktien seiner Eltern beauftragte. Der Veräußerungserlös sollte auf das Konto des Verteidigers eingezahlt werden. Daraufhin überwies die Bank ohne Angabe eines Verwendungszwecks am 17.05.2001 von den Depotkonten ihrer Kundin einen Betrag in Höhe von insgesamt 750.000,- DM auf das Anderkonto des Verteidigers. Der überwiesene Betrag wurde mit dem geschuldeten Honorar für die Verteidigung verrechnet. Im Mai 2003 erhob die Bankkundin erstmals Einwendungen gegen das Vorgehen der Bank. Dann erhob sie Klage zum Landgericht München I und verlangte von der Bank ihr Geld zurück mit der Begründung, sie habe keinen wirksamen Verkaufs- und Überweisungsauftrag erteilt. Die vom Anwalt ihres Sohnes übergebene Vollmacht sei gefälscht. Ihr Sohn sei nicht zur Auflösung der Depots berechtigt gewesen. Das Bankhaus habe sich durch Nachfrage bei der Klägerin in Spanien vergewissern müssen, ob der Überweisungsauftrag ihrem Wunsch entspreche. Das verklagte Bankhaus beruft sich auf einen wirksam erteilten Auftrag, der bereits über den Bruder des inhaftierten Sohnes übermittelt worden sei. Jedenfalls sei aber die Unterschrift des inhaftierten Sohnes auf der vom Verteidiger übergebenen Vollmacht echt. Dies habe ein schriftliches Gutachten im Rahmen eines gegen den Verteidiger wegen Urkundenfälschung eingeleiteten Ermittlungsverfahrens ergeben. Ein Fehlverhalten des Sohnes oder des Verteidigers müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Sie habe gegen die übersandten Rechnungsabschlüsse zum 31.12.2001 und zum 31.12.2002 keine Einwendungen erhoben. Vor dem Landgericht sagten u.a. die beiden Söhne der Klägerin und der Verteidiger als Zeugen aus. Es stellte sich heraus, dass die Aktien in den beiden Depots nicht nur der Mutter, sondern sehr wahrscheinlich zum Teil auch dem Sohn selbst gehörten.
Die 32. Zivilkammer des Landgerichts München I gewann aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme die Überzeugung, dass der inhaftierte Sohn im Rahmen seiner Depotvollmachten der Bank einen wirksamen Auftrag erteilt hatte. Dem Sohn sei nicht untersagt gewesen, die Depotwerte für eigene Zwecke zu verwenden, weshalb sein Handeln durch die Depotvollmacht der Mutter gedeckt gewesen sei. Das Risiko des Missbrauchs einer Vollmacht trage der Vertretene. Die Bank habe grundsätzlich nicht die Pflicht, das Innenverhältnis zwischen dem Kunden und seinem bevollmächtigten Vertreter zu überwachen oder zu überprüfen. Die Notwendigkeit einer Rückfrage beim Kunden bestehe nur, wenn ein Verstoß gegen die Interessen des Kunden evident sei. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht sei für das Bankhaus aber hier nicht evident gewesen. Der bevollmächtigte Sohn habe kein Verhalten gezeigt, das den Verdacht eines Missbrauchs der Vertretungsmacht nahegelegt hätte. Er habe die Depots allein und selbständig verwaltet und sei ausschließlicher Ansprechpartner der Bank im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gewesen. Die Klägerin hingegen sei mit Ausnahme der Depoteröffnung nie eigenständig mit der Bank in Kontakt getreten. Sie habe ihrem Sohn alle Entscheidungen hinsichtlich der Depotwerte überlassen. Das Bankhaus habe sich daher nicht rückversichern müssen, ob der vom Sohn erteilte Auftrag tatsächlich dem Willen der Mutter entspreche.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.05.2005
Quelle: Pressemitteilung des LG München I vom 12.05.2005
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