24.11.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 683

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Landgericht München I Beschluss22.04.2005

Kein Ersatzanspruch gegenüber der Bank, wenn die Geldau­to­ma­tenkarte zusammen mit der PIN-Nummer verwahrt wird

Die spätere Klägerin hat ein Sparkonto bei der später beklagten Postbank in München. Ihr wurde im Mai 2000 eine "Sparcard" samt PIN-Nummer zur Verfügung gestellt. Mit dieser Automatenkarte konnte sie auch im Ausland Geld abheben. In den allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen mit der Bank ist u. a. geregelt, dass der Karteninhaber dafür Sorge zu tragen hat, dass keine andere Person Kenntnis von der persönlichen Geheimzahl (PIN) erlangt und die Geheimzahl insbesondere nicht auf der Automatenkarte vermerkt oder in anderer Weise zusammen mit dieser aufbewahrt werden darf. Bei grob fahrlässiger Verletzung dieser Pflichten wird - so die Geschäfts­be­din­gungen - dem Karteninhaber kein Ersatz geleistet.

Am 07.09.2003 wurden mit der Automatenkarte der Klägerin sowie der zutreffenden PIN-Nummer zwischen 16.14 Uhr und 16.18 Uhr Ortszeit an einem Geldautomaten in Wien/Österreich fünf Abhebungen à jeweils 400,00 EUR vorgenommen. Die Auszahlungen wurden dem Konto der Klägerin belastet. Die Abhebungen werden in der Fachsprache der Kreditinstitute "Transaktionen" genannt. Für jede Abhebung wird ein sogenanntes Trans­ak­ti­o­ns­pro­tokoll erstellt. In den Trans­ak­ti­o­ns­pro­to­kollen für die genannten Abhebungen ergaben sich keine fortlaufenden Nummern. Fünf weitere Versuche von Geldabhebungen am 07.09.2003 blieben erfolglos, da kein Auszah­lungs­betrag mehr verfügbar war.

Die Klägerin hat von der Beklagten Postbank den Ersatz der 2.000 EUR verlangt. Zur Begründung führte sie aus, dass ihr die Automatenkarte kurz nach Besteigen des Zuges nach München am Westbahnhof in Wien zusammen mit ihrer Geldbörse entwendet worden sei. Sie habe die dazugehörige PIN-Nummer weder mitgeführt, noch irgendwo notiert. Sie hat behauptet, die persönliche PIN-Nummer sei aus ihrer entwendeten Karte errechnet worden. Dies sei auch technisch möglich, da die Sicher­heits­s­tandards in Deutschland, insbesondere für die ihr bereits im Mai 2000 ausgehändigte "SparCARD" veraltet und lückenhaft seien. Es gebe vielfältige Möglichkeiten, den Siche­rungs­me­cha­nismus der Karte zu überwinden und die PIN-Nummer zu entschlüsseln. Dass hier manipuliert worden sei, ergebe sich auch daraus, dass die Trans­ak­ti­o­ns­nummern in den Protokollen nicht fortlau-fend seien, obwohl die Transaktionen in Sekun­de­n­ab­ständen hintereinander erfolgt seien.

Die Postbank verweigerte vorgerichtlich jede Zahlung. So kam der Fall vor das Amtsgerichts München. Die zuständige Richterin gab ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten in Auftrag. Der Gutachter sollte feststellen, ob allein aufgrund der in der Karte enthaltene Informationen, die PIN-Nummer entschlüsselt werden kann.

Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass dies nicht möglich sei. Der relevante Insti­tuts­sch­lüssel der Postbank sei bisher niemals gebrochen worden. Eine Attacke auf den Code sei nur mit erheblichen finanziellen Aufwand und einer erheblichen Rechnerleistung machbar. Auch ist der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass die Geldabhebungen durch sofortige Eingabe der richtigen PIN-Nummer erfolgt seien. Fehlversuche seien nicht feststellbar.

Das Gericht hat aus diesen Sachver­stän­di­ge­n­aus­füh­rungen einen sogenannten "Anscheinsbeweis" dafür abgeleitet, dass die Klägerin die persönliche Geheimzahl entweder auf der Sparcard vermerkt hatte oder sie zusammen mit dieser in ihrem Geldbeutel verwahrt hat. Ein Anscheinsbeweis sei immer dann begründet, wenn ein typischer Gesche­hens­ablauf zu bestimmten typischen Folgen führe. Wenn eine Geldabhebung unter sofortiger Eingabe der richtigen PIN-Nummer erfolge, sei dies typischerweise nur dadurch möglich, dass die richtige PIN-Nummer der an dem Automaten stehenden Person bekannt sei. Anderes, insbesondere die Entschlüsselung des Institutscodes und der Geheimzahl, sei ein atypischer Gesche­hens­ablauf, für den die Klägerin in vollem Umfang beweisbelastet sei. Diesen Beweis habe die Klägerin nicht führen können. Das Vorbringen der Klägerin, dass sich hier eine Manipulation aufdränge, da die Trans­ak­ti­o­ns­nummern nicht fortlaufend seien, reiche letztendlich nicht. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten dargelegt, dass es der Regelfall sei, dass die Trans­ak­ti­o­ns­nummern nicht fortlaufend sind. Damit bleibe es bei dem sich aus dem "Beweis des ersten Anscheins" ergebenden Feststellungen: Die Abhebungen können nur dadurch geschehen sein, dass der unberechtigt Verfügende, auch im Besitz der persönlichen PIN-Nummer der Klägerin gewesen sei.

Die Klägerin fand sich mit diesem Urteil nicht ab und legte Berufung zum Landgericht München I ein. Die zuständige Kammer gab der Klägerin zunächst einen schriftlichen Hinweis, dass sie beabsichtige die Berufung als unbegründet zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg habe. Aufgrund der wider­spruchs­freien Ausführungen des Sachver­ständigen habe das Amtsgericht davon ausgehen dürfen, dass die Abhebungen mit der Originalkarte und der dazugehörigen PIN-Nummer durchgeführt worden sind. Die Trans­ak­ti­o­ns­pro­tokolle hätten keine Fehlereingaben erkennen lassen. Die PIN-Nummer sei weder Bestandteil der Karte­n­in­for­mation noch klartextlich oder verborgen auf oder in der Karte angebracht. Damit müsse es bei dem "Beweis des ersten Anscheins" bleiben, nachdem die Klägerin ihre Pflichten aus dem Vertrag mit der Bank verletzt habe und die PIN-Nummer entweder zusammen mit der Karte in der Geldbörse aufbewahrt oder die PIN-Nummer direkt auf der Karte vermerkt habe.

Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Instanzen:

Urteil des Amtsgericht München vom 05.01.2005; Aktenzeichen: 281 C 38692/03

Beschluss des Landgerichts München I vom 22.04.2005; Aktenzeichen: 30 S 3465/05

Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 04.07.2005

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