Landgericht München I Urteil26.05.2004
Pflegeheim im Testament als Alleinerbin eingesetztGesetzliche Erben halten Testament wegen Verbots der Vorteilsannahme für nichtig
Wer im Pflegeheim lebt, kann den Träger des Heims nur unter bestimmten Voraussetzungen als Erben einsetzen. Der Heimträger kann wegen des Verbots der Vorteilsnahme nur Erbe werden, wenn die Heimleitung nichts von der Erbeinsetzung weiß oder die zuständige Heimaufsichtsbehörde noch zu Lebzeiten des Heimbewohners nach sorgfältiger Prüfung eine Ausnahmegenehmigung erteilt (§ 14 HeimG).
Ursula W. war Kinderkrankenschwester und leitende Hebamme der Schwesternschaft des BRK. Im Alter von 86 Jahren starb sie nach mehreren Schlaganfällen im Juni 2002 im Pflegeheim der BRK-Schwesternschaft in Gründwald bei München. Sie hinterließ ein notarielles Testament vom Mai 2001, in welchem sie die Schwesternschaft des BRK zu ihrem Alleinerben bestimmt hatte. Die gesetzlichen Erben machten der Schwesternschaft das Erbe jedoch streitig. Sie halten das notarielle Testament wegen unzulässiger Vorteilsannahme für nichtig. Außerdem legten sie dem Nachlassgericht ein späteres, in einen Kalender handgeschriebenes Testament vor, das sie begünstigte.
Das Landgericht München I stellte durch Teilurteil vom 26.5.2004 fest, dass der Verein der Schwesternschaft München vom BRK Alleinerbe der Verstorbenen geworden ist. Eine Rotkreuz-Schwester hatte Ursula W. 3 Jahre lang aus freien Stücken und ohne Bezahlung liebevoll betreut.
Im Mai 2001 begleitete sie Ursula W. auf deren Wunsch zum Notar. Ihr Wissen um das Testament zugunsten der Schwesternschaft genügt nach Auffassung des Gerichts nicht für eine Kenntnis des Heimträgers, da sie nicht nach Weisung und Absprache mit der Heimleitung tätig wurde.
Außerdem hatte der Notar die zuständige Heimaufsichtsbehörde unterrichtet, die das Testament noch zu Lebzeiten der Heimbewohnerin genehmigte. Gemäß § 14 Abs. VI HeimG darf die Heimaufsichtsbehörde das Verbot der Vorteilsannahme dann aufheben und eine Erbeinsetzung genehmigen, wenn feststeht, dass der Heimbewohner sein Vermögen freiwillig und ohne Druck hergibt. Der zuständige Regierungsrat von der Heimaufsichtsbehörde hatte mit Ursula W. alleine ausführlich über ihren letzten Willen gesprochen und keine Bedenken gegen die Genehmigung ihres Testaments. Nach Auffassung des Gerichts zeigt sich in diesem Testament die Verbundenheit der Verstorbenen mit der Schwesternschaft während ihres Berufslebens und auch darüber hinaus.
Eine Beeinflussung des Testierwillens durch die Heimleitung oder deren Mitarbeiter konnte das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen. Das von den gesetzlichen Erben vorgelegte "Kalendertestament" zeigt nach dem Gutachten einer Schriftsachverständigen alle Merkmale einer Fälschung und kann deshalb die Erbeinsetzung der Schwesternschaft nicht außer Kraft setzen. Die gesetzlichen Erben müssen deshalb den bereits in Besitz genommenen Nachlaß an die Schwesternschaft herausgeben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.08.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Landgerichts München I
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