Mitte April 2004 fuhr der Geschäftsführer der späteren Klägerin mit seinem PKW Nissan auf der Massmann-Straße in München stadteinwärts Richtung Dachauer Straße. An einer Kreuzung stoppte der Verkehr bei roter Ampel. Der Geschäftsführer der Klägerin kam hinter dem Schulungsfahrzeug einer Münchener Fahrschule (der späteren Beklagten) zum Stehen. Bei Grünlicht setzte sich die Kolonne wieder in Bewegung. Das Fahrschulfahrzeug stoppte nach ca. zwei Metern plötzlich abrupt ab. Wie sich später herausstellte, hat der Fahrschüler den Motor des Fahrzeugs abgewürgt. Der Geschäftsführer der Klägerin konnte nicht so schnell bremsen und fuhr auf das Fahrschulfahrzeug (einen Golf) auf.
An beiden Fahrzeugen entstanden erheblicher Sachschaden (beim Klägerfahrzeug: € 500,00/ beim Beklagtenfahrzeug € 2.200,00).
Die Klägerin verlangte von der Fahrschule vorgerichtlich ihren Schaden ersetzt. Da diese eine Zahlung verweigerte kam der Fall vor das Amtsgericht München.
Dort führte die Klägerin aus, ihr Geschäftsführer habe die Kennzeichnung als Fahrschulfahrzeug, die im unteren Heckbereich des Golf angebracht gewesen sei, wegen des Halts an der Ampel nicht erkennen können. Auch beim Anfahren sei ihm die Schrift nicht aufgefallen. Daher habe er nicht mit einem abrupten Bremsvorgang bzw. dem Abwürgen des Motors rechnen müssen, so dass die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet sei.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihr Fahrzeug sowohl auf dem Dach wie auch am Heck als Fahrschulfahrzeug gekennzeichnet gewesen sei. Damit habe sich jeder andere Verkehrsteilnehmer besonders vorsichtig zu verhalten, da jederzeit mit Fahrfehler eines Fahranfängers gerechnet werden müsse. Da der Geschäftsführer der Klägerin diese besondere Sorgfalt nicht beachtet habe, sei die Klägerin vielmehr zum Ersatz des am Fahrschulfahrzeug entstanden Schadens verpflichtet. Mit der Wertminderung und den Gutachterkosten belaufe sich dieser auf insgesamt € 3.264,00. In dieser Höhe erhob die Beklagte Widerklage.
Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab der Fahrschule Recht. Die Klage wurde in vollem Umfang abgewiesen und die Klägerin zur Zahlung von € 3.264,00 verurteilt. Zur Begründung führte die Amtsrichterin aus, dass ein „Beweis des ersten Anscheins“ für die Schuld des Geschäftsführers der Klägerin spreche. Wer auf ein anderes Fahrzeug auffahre, habe nach diesem Beweis des ersten Anscheins die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht ausreichend beachtet und sei daher Schuld an dem Unfall. Auch besondere Umstände des Einzelfalls würden vorliegend diesen Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Insbesondere müssen Verkehrsteilnehmer damit rechnen, dass Fahrschüler den Motor beim Anfahren abwürgen. Im Hinblick auf mögliche Fahrfehler wäre der Geschäftsführer der Klägerin verpflichtet gewesen, einen so ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten, dass es nicht zu dem Unfall hätte kommen können. Auch sei aufgrund eines vorgelegten Lichtbildes vom Fahrschulfahrzeug für das Gericht erwiesen, dass sich am Heck des Fahrschulfahrzeugs ein deutlich sichtbarer Hinweis auf eine Fahrschule befinde. Wenn sich der Geschäftsführer der Klägerin mit seinem Fahrzeug so dicht hinter dem Fahrzeug der Beklagten aufgestellt hätte, dass ihm die Sicht auf das Heck des Golf gar nicht mehr möglich gewesen wäre, so hätte er jedenfalls beim Anfahren bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt die Aufschrift ohne weiteres erkennen und sich dementsprechend auch verhalten können.
Die Kläger fand sich mit diesem Urteil nicht ab und ging in Berufung zum Landgericht München I. Die zuständige Kammer des Landgerichts schloss sich jedoch der Argumentation der Amtsrichterin in vollem Umfang an und wies die Berufung zurück. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Erläuterungen
Urteil des Amtsgerichts München vom 14.06.2005; Aktenzeichen: 322 C 36909/04
Urteil des Landgerichts München I vom 24.11.2005; Aktenzeichen: 19 S 14217/05