03.12.2024
03.12.2024  
Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.

Dokument-Nr. 2478

Drucken
ergänzende Informationen

Landgericht Leipzig Urteil02.06.2006

Kein Schmerzensgeld für den Verlust von NabelschnurblutBlutbank haftet aber für mögliche Folgeschäden

Das Landgericht Leipzig hat entschieden, dass ein Kind, für das nach seiner Geburt Nabelschnurblut konserviert werden sollte, kein Schmerzensgeld erhält, wenn das Blut durch Fahrlässigkeit von Mitarbeitern der Stammzellenbank verlorengeht. Gleichzeitig wurde allerdings verbindlich festgestellt, dass diese in Zukunft eintretende Schäden ersetzen muss, sollte der Kläger erkranken und sollten sich aus dem Verlust des Nabel­schnur­blutes nachteilige Folgen für seine Gesundheit ergeben.

Die Eltern des Klägers hatten vor seiner Geburt mit der Beklagten einen Vertrag geschlossen, wonach bei der Geburt Nabelschnurblut entnommen, zur Beklagten gebracht und von dieser konserviert wird. Grundlage des Vertrages ist im wesentlichen die Erwartung, in der Zukunft werde es der medizinischen Forschung gelingen, Krankheiten mittels Stammzellen behandeln zu können. Durch einen von der Beklagten zu verantwortenden Fehler war das Blut aus dem Entnahmebeutel ausgelaufen und konnte nicht mehr konserviert werden. Der Kläger verlangte nun 10.000,00 € Schmerzensgeld und die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm etwa in Zukunft entstehende Schäden wegen des Verlustes zu ersetzen. Er berief sich auf eine Entscheidung des Bundes­ge­richtshofes vom 09.11.1993 (Az. VI ZR 62/93). In dieser hat das oberste deutsche Zivilgericht in der Vernichtung einer Spermakonserve eine Körper­ver­letzung gesehen, die zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld führt. Die Beklagte lehnte den Anspruch auf Schmerzensgeld ab und vertrat die Ansicht, dass die beiden Fälle nicht verglichen werden können, weil Nabelschnurblut letztlich nur der Herstellung von Medikamenten diene. Die Ersatzpflicht für Zukunftsschäden erkannte sie teilweise an.

Die wesentlichen Gründe des nun verkündeten Urteils sind:

1. Nach dem Gesetz (§ 253 BGB) kann Schmerzensgeld nur verlangt werden, wenn ein Eingriff in die körperliche Integrität oder eine Schädigung der Gesundheit des Klägers feststehen. Das klagende Kind ist aber gesund und altersgerecht entwickelt, deshalb in seiner Gesundheit zur Zeit nicht beeinträchtigt. Nabelschnurblut ist für die körperliche Integrität und die Funktionen des Körpers nicht notwendig. Mit der Geburt wird das Kind von der Versorgung über die Nabelschnur unabhängig. Der Organismus „funktioniert“ notwen­di­gerweise ohne das Nabelschnurblut. Der Kläger hat die Chance einer künftigen Behandlung mit Präparaten aus Nabelschnurblut im Falle einer Erkrankung verloren. Dieser Verlust ist kann nicht mit einer Körper­ver­letzung oder einem aktuellen Gesund­heits­schaden gleichgesetzt werden. Der Fall ist nicht mit dem Verlust einer Spermakonserve und unerfülltem Kinderwunsch vergleichbar.

2. Schmerzensgeld kann außer in den vom Gesetz genannten Fällen nach der Rechtsprechung auch bei schwerwiegenden Verletzungen des Persön­lich­keits­rechtes zugesprochen werden, wenn die Rechte der betroffenen Person nur so wirksam geschützt werden können. Der fahrlässige Verlust des Nabel­schnur­blutes ist kein schwerwiegender Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht. Außerdem hat der Kläger für den Fall, dass tatsächlich in Zukunft ein Schaden eintritt, alle im Gesetz vorgesehenen Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. 3. Da der Vertrag dem Kläger in der Zukunft mögliche Behandlungen sichern sollte, muss die Beklagte allerdings Schadensersatz leisten, falls er erkrankt und falls er wegen des Verlustes gar nicht oder nur mit aufwändigeren Therapien behandelt werden könnte. Dann käme auch ein Schmerzensgeld in Betracht. Diese Schaden­s­er­satz­pflicht für die Zukunft stellt das Urteil auf entsprechenden Antrag des Klägers verbindlich fest.

aus dem Gesetz:

§ 253 BGB

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermö­gens­schaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbst­be­stimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermö­gens­schaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG Leipzig vom 02.06.2006

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil2478

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI