Landgericht Koblenz Urteil11.12.2024
Keine Vertragsanpassung trotz Corona-Pandemie und Ukraine-KriegPandemie und Krieg schützen nicht vor Verlust des Grundstücks
Ein Grundstückskäufer kann sich nicht gegen die Ausübung eines im Kaufvertrag vorbehaltenen Rücktrittsrechts wehren, indem er eine nachträgliche Vertragsanpassung wegen der Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs verlangt. Dies hat das Landgericht Koblenz entschieden.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines von der Klägerin erklärten Rücktritts von einem Grundstückskaufvertrag. Mit notariellem Vertrag vom 30.04.2020 kaufte der Beklagte von der Klägerin das streitgegenständliche Grundstück zum Preis von 226.440,00 €. In diesem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte, binnen drei Jahren ab Fälligkeit der Kaufpreiszahlung auf dem Grundstück ein Gebäude zur gewerblichen Nutzung bezugsfertig zu errichten Der Klägerin wurde ein Rücktrittsrecht für den Fall eingeräumt, dass der Beklagte seine Bauverpflichtung „nicht, nicht fristgerecht oder nur unvollständig erfüllt“ hat.
Klägerin erklärt den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag
Am 15.09.2020 zahlte der Beklagte an die Klägerin den vereinbarten Kaufpreis. Am 22.10.2020 wurde das Grundstück auf den Beklagten umgeschrieben. In den Folgejahren verhandelte der Beklagte mit verschiedenen Mietinteressenten für eine von ihm auf dem Grundstück geplante Halle. Mietverträge kamen indes nicht zustande. Das streitgegenständliche Grundstück ist bislang unbebaut. Am 19.02.2024 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Beklagte verweigerte die Rückgabe des Grundstücks.
Beklagter verlangt wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage eine Vertragsänderung
Der Beklagte vertritt die Ansicht, er könne eine Anpassung des Vertrages nach § 313 Abs. 1 BGB - Störung der Geschäftsgrundlage- in Form der Verlängerung der Bebauungsfrist verlangen. Die grundlegenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Vertrags hätten sich geändert durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, deren massive Auswirkungen auf das wirtschaftliche Leben im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses völlig unklar gewesen seien, und durch den Ukraine-Krieg, der die wirtschaftlich angespannte Lage ab Februar 2022 noch verschärft habe. Bei Kenntnis der Reichweite der Pandemiefolgen hätten die Parteien in dem Vertrag eine längere Bebauungsfrist vorgesehen.
Richter: Kläger darf vom Vertrag zurücktreten
Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Die Voraussetzungen des vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts lägen vor, denn der Beklagte habe im vereinbarten Dreijahreszeitraum kein Gebäude zur gewerblichen Nutzung auf dem Grundstück errichtet. Der Beklagte könne auch keine Verlängerung der Bebauungsfrist verlangen im Wege der Vertragsanpassung (§ 313 Abs. 1 BGB) aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage durch die Coronapandemie und den Ukrainekrieg.
Die durch die Coronapandemie verschlechterte wirtschaftliche Lage sei nämlich kein Risiko, das sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert habe. Ungeregelte, aber prinzipiell voraussehbare Zufallsschäden müsse dagegen jede Vertragspartei grundsätzlich selbst tragen, wenn sie im Vertrag keine andere Regelung getroffen hätten.
Zum Zeitpunkt des Kaufvertrags gab es schon zwei Monate Cornona-Pandemie
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelte nur für sogenannte „Gemeingefahren“, die dann von den Parteien gemeinschaftlich zu tragen wären, wenn nicht eine von ihnen das entsprechende Risiko ausdrücklich oder gemäß dem besonderen Sinn und Zweck des Vertrags übernommen hätte. Zu solchen Gemeingefahren würden grundlegende Änderungen der wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Verhältnisse sowie sonstige (Natur-)Katastrophen gezählt, die alle Bürger gleichermaßen beträfen. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags am 30.04.2020 habe sich Deutschland aber bereits seit fast zwei Monaten in der Corona-Pandemie befunden und beiden Parteien sei der Ernst der Lage bekannt gewesen. Die Pandemie sei von der WHO bereits als solche qualifiziert worden. Die Nachrichten und Medien seien seinerzeit von einer intensiven Berichterstattung über das Coronavirus und dessen Folgen dominiert gewesen. Die Landesregierung hätte am 30.04.2020 bereits die 5. Corona-Bekämpfungsverordnung erlassen. Diskussionen über die wirtschaftlichen Folgen der Krise seien allgegenwärtig gewesen. In dieser Situation wäre es auch für die Vertragsparteien offenkundig gewesen, dass ein kurzfristiges Ende der einschränkenden Maßnahmen nicht zu erwarten war und dass diese zu einschneidenden und nachhaltigen wirtschaftlichen Folgen führen würden. Dennoch hätten die Parteien ohne Berücksichtigung etwaiger wirtschaftlicher Unsicherheiten die Rücktrittsbedingungen, insbesondere die starre Dreijahresfrist vereinbart. Der Beklagte sei mit dem Abschluss des Vertrages folglich bewusst und in Kenntnis der coronabedingten Unsicherheiten ein unternehmerisches Risiko eingegangen.
Ukrainekrieg stellt keine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB dar
Auch die Folgen des Ukrainekrieges in Deutschland würden dem Beklagten keinen Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB vermitteln. Die ökonomischen Folgen des Ukrainekrieges hätten zwar die bereits angespannte wirtschaftliche Lage verschärft. Trotz erhöhter Inflation und angespannter Lage hinsichtlich der Energieversorgung sei aber eine Stabilisierung der Volkswirtschaft in Deutschland gelungen. Etwaige Nachfrageeinbußen wegen erhöhter Zinsen und zurückhaltenden Verhaltensweisen möglicher Interessenten würden keine schwerwiegende Veränderung von Umständen darstellen, die zur Grundlage des Vertrages geworden seien, denn der allgemeine Verlauf der Wirtschaft und schwankende Zinsen gehörten zum allgemeinen unternehmerischen Risiko.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.03.2025
Quelle: Landgericht Koblenz, ra-online (pm/pt)