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Urteil05.11.2024Landgericht Koblenz1 O 382/23
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Landgericht Koblenz Urteil05.11.2024

Entschädigung nach dem Gesetz über Entschädigung für Straf­ver­fol­gungs­maß­nahmenSichergestellte Substanz war zum Zeitpunkt der Durchsuchung nicht illegal

Besteht gegen ein Bundesland ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Gesetz über Entschädigung für Straf­ver­fol­gungs­maß­nahmen, wenn im Rahmen einer Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen Substanzen sichergestellt wurden, die zum Zeitpunkt der Durchsuchung noch nicht illegal waren jedoch in der Folgezeit in die Liste der illegalen Substanzen aufgenommen wurden? Diese Frage hatte die 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz zu beantworten.

Der Kläger betrieb Handel mit psychoaktiven Substanzen. Im Januar 2021 wurden seine Wohn- und Geschäftsräume aufgrund eines Durchsuchungs- und Beschlag­nah­me­be­schlusses des zuständigen Amtsgerichts durchsucht. Im Rahmen der Durchsuchung wurden u.a. ca. 2.500 Einheiten 1cP-LSD, ca. 160 g 2F-Ketamin, Bargeld und ein Laptop aufgefunden und in amtlichen Gewahrsam genommen. Zu diesem Zeitpunkt war der Handel mit 1cP-LSD und 2F-Ketamin noch nicht verboten. Erst durch die am 03.07.2021 in Kraft getretene 2. Verordnung zur Änderung der Anlage des NpSG war der Handel mit 1cP-LSD und 2F-Ketamin nicht mehr erlaubt. Der für das Strafverfahren bestellte Verteidiger des Klägers beantragte mit Schreiben vom 19.02.2021 die Einstellung des Strafverfahrens und die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände. Auf eine Beschwerde des Klägers vom 08.07.2021 gegen den Durch­su­chungs­be­schluss stellte das zuständige Landgericht sodann fest, dass die angefochtene Durchsuchung rechtswidrig gewesen sei. Nach der Einstellung des Strafverfahrens erhielt der Kläger das Bargeld und den Laptop zurück, das 1cP-LSD und das 2F-Ketamin wurde jedoch mit Blick auf die kurz zuvor erfolgte Änderung des NpSG nicht mehr freigegeben.

Auf Antrag des Klägers stellte das zuständige Amtsgericht mit Beschluss vom 08.12.2021 rechtskräftig fest, dass dem Kläger gemäß den §§ 2 ff. StrEG für die erfolgte Durchsuchung und die angeordnete Beschlagnahme Entschädigung aus der Staatskasse zu leisten sei. Der Kläger hat in dem Verfahren u. a. vorgetragen, dass aufgrund des Beschlusses vom 08.12.2021 rechtskräftig feststehe, dass ihm eine Entschädigung für die Durchsuchung und Beschlagnahme zustehe. Streit­ge­gen­ständlich sei daher nur noch die Höhe der Entschädigung. Der Vermö­gens­schaden des Klägers bestehe zum einen aus frustrierten Anschaf­fungs­kosten für die beschlagnahmte Ware in Höhe des Ankaufspreises sowie dem entgangenen Gewinn (insgesamt 12.160,09 €). Wenn die Ware nicht rechtswidrig beschlagnahmt worden wäre, hätte sie der Kläger vor der am 03.07.2021 in Kraft getretenen Geset­ze­s­än­derung legal verkaufen können, wie er dies in der Vergangenheit getan habe. Durch die amtliche Verwahrung und das flankierende Verfü­gungs­verbot sei die Ware wertlos geworden. Zudem seien ihm die im vorangegangenen StrEG-Verfahren entstandenen Rechts­ver­fol­gungs­kosten in Höhe von 1.188,81 € zu erstatten. Diese Gesamtforderung in Höhe von 13.348,90 € machte der Kläger in dem hier beschriebenen Verfahren geltend.

Das beklagte Land beantragte, die Klage abzuweisen und machte u. a. Mängel der Grund­ent­scheidung des Amtsgerichts zur Entschä­di­gungs­pflicht geltend. Es sei entgegen der Grund­ent­scheidung keine förmliche Beschlagnahme sondern lediglich eine Sicherstellung der Substanzen erfolgt. Es fehle auch an der unerlässlichen Angabe des Zeitraumes, für welchen eine Entschädigung geschuldet werde. Der vom Kläger behauptete Schaden sei zudem nicht unmittelbare Folge der Straf­ver­fol­gungs­maßnahme sondern lediglich ein Schaden, der mittelbar aus Anlass einer Straf­ver­fol­gungs­maßnahme durch eine Geset­ze­s­än­derung entstanden sei und daher nicht dem Schutzbereich des StrEG unterfalle. Außerdem sei dem Kläger ein anspruchs­auschlie­ßendes Mitverschulden anzurechnen, weil sein Geschäftsmodell auf einen Wettlauf mit dem Gesetzgeber angelegt gewesen sei. Der Kläger sei durch den Erwerb der Substanzen und deren Lagerhaltung bewusst ein Risiko eingegangen, dass jederzeit durch einen Akt des Gesetz- und Verord­nungs­gebers die Verkehrs­fä­higkeit habe entfallen können und die Substanzen somit für ihn wertlos seien.

Die Entscheidung: Die 1. Zivilkammer hat die Klage abgewiesen.

Dem Kläger stehe aber auch unabhängig von den Bedenken gegen die Grund­ent­scheidung kein Entschä­di­gungs­an­spruch zu, weil der von ihm behauptete Schaden nicht als unmittelbare Folge der in Rede stehenden Straf­ver­fol­gungs­maßnahme anzusehen sei. Im vorliegenden Fall beruhe der behauptete Vermö­gens­nachteil des Klägers letztlich nicht darauf, dass sich die betreffenden Substanzen vorübergehend in amtlicher Verwahrung befunden haben und während dieses Zeitraumes bspw. verdorben sind. Vielmehr beruhe der vom Kläger geltend gemachte Schaden darauf, dass der Gesetz- bzw. Verord­nungsgeber sich dazu entschlossen habe, die Rechtslage dahingehend zu ändern, dass die Verkehrs­fä­higkeit der betreffenden Stoffe zum 03.07.2021 entfallen war. Damit habe sich jedoch nicht ein typisches Risiko einer amtlichen Verwahrung verwirklicht, sondern vielmehr das dem Kläger bereits zum Zeitpunkt der Anschaffung der Substanzen bekannte Risiko einer kurzfristigen Änderung der Rechtslage und damit einhergehenden wirtschaft­lichen Entwertung der Substanzen. Einen überzeugenden Grund, dieses wirtschaftliche Risiko dem beklagten Land im Hinblick auf die vorübergehende Sicherstellung der Stoffe aufzubürden, sah die Kammer nicht.

Darüber hinaus sei das Vorgehen des Klägers auch treuwidrig im Sinne von § 242 BGB. Obgleich dem Kläger ausweislich des Schreibens seines Verteidigers vom 19.02.2021 bekannt gewesen sei, dass der Gesetzgeber plane, eine Strafbarkeit hinsichtlich der streit­ge­gen­ständ­lichen Substanzen einzuführen, sei erst nach Eintritt der geänderten Rechtslage förmlich Beschwerde gegen die Durchsuchung eingelegt worden. Dieses Verhalten deute darauf hin, dass es dem Kläger hierbei nicht darum gegangen sei, die Herausgabe der Substanzen aus der amtlichen Verwahrung so schnell wie möglich zu erreichen, um diese dann noch vor Änderung der Rechtslage gewinnbringend weiterveräußern zu können, sondern er vielmehr darauf gesetzt habe, die Rechts­wid­rigkeit der behördlichen Maßnahmen zu einem Zeitpunkt feststellen zu lassen, zu dem eine Verkehrs­fä­higkeit der Substanzen bereits nicht mehr gegeben war, um sodann Entschädigung vom beklagten Land beanspruchen zu können. Damit habe der Kläger jedoch gegen die ihn als Geschädigten allgemein treffende Obliegenheit verstoßen, den Schaden durch (rechtzeitigen) Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Dies stelle sowohl ein treuwidriges Verhalten im Sinne des § 242 BGB als auch ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB dar.

Es fehle bereits an einer geeigneten Grund­ent­scheidung im Sinne des § 8 StrEG, weil der Beschluss des Amtsgerichts vom 08.12.2021 mangels inhaltlicher Bestimmtheit nicht dazu geeignet sei, den mit der Klage verfolgten Entschä­di­gungs­an­spruch des Klägers zu tragen. Der Beschluss stelle bereits nicht fest, dass dem Kläger für die erfolgte „Sicherstellung“ von Gegenständen eine Entschädigung aus der Staatskasse zu leisten ist. Dort sei vielmehr die Rede von einer „Beschlagnahme“, wobei nicht ersichtlich sei, dass und ggf. wann eine solche Beschlagnahme stattgefunden haben soll. Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass es sich dabei lediglich um eine Falsch­be­zeichnung gehandelt habe und sich der amtsge­richtliche Beschluss erkennbar auf die „Sicherstellung“ habe beziehen sollen, so fehle es gleichwohl an der unentbehrlichen Bezeichnung des Zeitraumes der betreffenden Straf­ver­fol­gungs­maßnahme, für welchem dem Kläger eine Entschädigung hat zuerkannt werden sollen.

Quelle: Landgericht Koblenz, ra-online (pm/pt)

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