15.11.2024
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Landgericht Heidelberg Urteil22.08.2013

Anordnung eines Drogentests durch die Agentur für Arbeit nur bei konkretem Hinweis auf mögliche Sucht­mittel­abhängig­keit zulässigGrundlose ärztliche Untersuchung stellt rechtswidrigen Eingriff in allgemeines Persönlichkeits­recht dar

Die Agentur für Arbeit darf bei einem Bezieher von Hartz IV nur dann einen Drogentest anordnen, wenn sie einen konkreten Hinweis auf eine mögliche Sucht­mittel­abhängig­keit darlegen kann. Gibt es diese konkreten Hinweise nicht, stellt eine entsprechende ärztliche Untersuchung einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeits­recht des Betroffenen dar. Dies geht aus einer Entscheidung des Landgerichts Heidelberg hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens war seit mehreren Jahren arbeitslos gemeldet und bezog Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV"). Nachdem sie mehrfach für längere Zeit krank­ge­schrieben und aufgrund dessen auch zu vereinbarten Gesprächs­terminen nicht erschienen war, erteilte die zuständige Sachbe­a­r­beiterin im Jobcenter Heidelberg einen Unter­su­chungs­auftrag an den ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit mit dem Ziel der Beurteilung der Erwer­bs­fä­higkeit und der Abklärung eines eventuellen Sucht­mit­tel­miss­brauchs (Drogen, Alkohol, Tabletten). Bei der folgenden Untersuchung durch den ärztlichen Dienst wurden u.a. eine Untersuchung der Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration und ein Drogenscreening durchgeführt.

Klägerin rügt entwürdigenden Verstoß gegen allgemeines Persön­lich­keitsrecht

Die Klägerin sah in dem Verhalten der Sachbe­a­r­beiterin und der Ärztin des ärztlichen Dienstes einen diskri­mi­nie­renden und entwürdigenden Verstoß gegen ihr allgemeines Persön­lich­keitsrecht und hat von der Bundesagentur für Arbeit eine Geldent­schä­digung in Höhe von 1.000 Euro gefordert.

Arbeitsagentur kann konkrete Hinweise für wahrscheinliche Sucht­mit­te­l­ab­hän­gigkeit nicht darlegen

Das Landgericht Heidelberg stellte fest, dass das Verhalten der Ärztin und der Sachbe­a­r­beiterin rechtswidrige Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin darstellen. Untersuchungen, die mit einem – wenn auch nur geringen – Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbunden sind (wie Blutentnahmen), dürften nur angeordnet werden, wenn dies auch tatsächlich zur Prüfung der gesund­heit­lichen Eignung geboten sei. Untersuchungen auf eine Sucht­mit­te­l­ab­hän­gigkeit seien nur dann veranlasst, wenn es aus dem Verhalten der Antragstellerin oder sonst zugänglichen Informationen konkrete Hinweise hierauf gebe. Derartige konkrete Hinweise habe die Agentur für Arbeit im Prozess jedoch nicht darlegen können.

Anspruch auf Geldent­schä­digung besteht nur bei schwerwiegendem Eingriff in allgemeines Persön­lich­keitsrecht

Das Gericht hat trotzdem die Gewährung einer Geldent­schä­digung abgelehnt, da die Erheb­lich­keits­grenze für die Gewährung einer solchen Entschädigung nicht überschritten sei. Eine Geldent­schä­digung komme nur dann in Betracht, wenn ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persön­lich­keitsrecht vorliege und die Beein­träch­tigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden könne. Vorliegend würden sich die Folgen des Eingriffs jedoch in verhältnismäßig engen Grenzen halten. Zwar sei das Bekanntwerden von Informationen zum Gesund­heits­zustand je nach Art einer eventuellen Erkrankung geeignet, beim Betroffenen Scham oder Unbehagen zu bewirken. Besonders zu berücksichtigen sei jedoch, dass die Information über den von der Klägerin als besonders diskriminierend und herabwürdigend empfundenen Verdacht der Sucht­mit­te­leinnahme nicht an die Öffentlichkeit gelangt und eine Rufschädigung daher nicht bewirkt worden sei.

Quelle: Landgericht Heidelberg/ra-online

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