15.11.2024
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Dokument-Nr. 2020

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Landgericht Frankfurt am Main Urteil24.11.1999

Das gesprochene Wort gilt

Das gesprochene Wort gilt, auch wenn der Vertrag im übrigen schriftlich abgefaßt wurde, sofern der Inhalt der mündlichen Vereinbarung bewiesen werden kann. Dies gelang einer beklagten Partei, so daß ihre Kündigung eines Mietvertrags durch Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main als wirksam angesehen und die Klage auf Zahlung von Mietzins abgewiesen wurde.

Die Beklagte, die als Internet-Provider tätig ist, wollte nach der Verlegung ihres Sitzes in den neuen Räumen in Frankfurt am Main ein von der Klägerin zu lieferndes Kommu­ni­ka­ti­o­ns­system haben. Ein entsprechender Mietvertrag wurde mit der Klägerin Anfang Dezember 1997 geschlossen. Ein Lieferdatum war darin nicht enthalten. Die Beklagte behauptete, im Rahmen der Vertrags­ab­schluß­ge­spräche sei die Installation der Anlage bis zum Jahresende 1997 vereinbart worden. Nach dem Verstreichen des Termins seien neue Termine auf den 08.01., 22.01. und dann spätestens auf den 30.01.1998 vereinbart worden. Mit Anwalts­schreiben vom 30.01.1998 ließ die Beklagte eine Frist zur Lieferung der Telefonanlage bis zum 02.02.1998, 12 Uhr setzen. An diesem Tag erschienen etwa gegen 12.20 Uhr Monteure der Klägerin bei der Beklagten, um eine gebrauchte Anlage als Provisorium einzubauen, was die Beklagte ablehnte. Die Beklagte verfügte zu dieser Zeit bereits über eine Telefonanlage von einem Wettbewerber der Klägerin. Mit Fax vom selben Tag erklärte die Beklagte den Rücktritt, bzw. die Kündigung des Vertrags. Die Klägerin verlangte mit der Klage vergeblich die Bezahlung von Mietzins in Höhe von DM 18.000,00.

Das Gericht kam nach Vernehmung der beiden an den Vertrags­ge­sprächen beteiligten Personen zu der Überzeugung, daß eine Lieferung bis Ende Dezember 1997 mündlich vereinbart worden war. Das bestätigte sogar der Vertreter der Klägerin, der allerdings meinte, eine mündlich vereinbarte Frist sei nicht verbindlich. Dazu heißt es im Urteil:

„Wie sich allein aus der Aussage des Mitarbeiters C. der Klägerin ergibt, haben die Parteien eine Frist zur Installation der Anlage und damit der Überlassung des Gebrauchs noch vor Ablauf des Jahres 1997 fest vereinbart. Dies ist die juristische Schlußfolgerung aus dem Inhalt der Zeugenaussage, auch wenn der Zeuge sein eigenes Verhalten ausdrücklich anders einzuordnen wünscht. Nach der Aussage des Zeugen C. wurde „damals mündlich vereinbart, daß die Installation zwischen den Jahren, also nach Weihnachten bis Silvester stattfinden sollte“, denn es ging darum, „daß die Beklagte ihren Standort in W. auflöste und deshalb ein modernes Kommu­ni­ka­ti­o­ns­system in Frankfurt haben wollte“. Dies deckt sich mit der Aussage des Zeugen L., des damaligen Verhand­lungs­führers der Beklagten.

Der Erklärung des Zeugen C. für die Klägerin mangelte es auch nicht an dem erforderlichen Ernst oder einem Rechts­bin­dungs­willen. Beides beurteilt sich aus der Sicht eines verständigen Empfängers der abgegebenen Erklärung. Der in dieser Rolle stehende Zeuge L. durfte die Terminabsprache aber als verbindlich verstehen, weil sie vor dem Hintergrund einer betrieblichen Notwendigkeit auch vom Zeugen C. eindeutig als dringend verstanden worden war. Die Klägerin war als Internet-Provider selbstredend auf eine möglichst moderne und zeitgemäße Telefonanlage angewiesen, die ihr überhaupt erst ihre Dienstleistung auszuführen erlaubte.

Die demgegenüber vom Zeugen C. bei seiner Vernehmung vorgenommene Differenzierung der Verbindlichkeit von ausdrücklich auch von ihm als „vereinbart“ bezeichneten Terminen danach, ob sie – nur – mündlich oder schriftlich erfolgten, mutet deshalb im günstigsten Fall als im Rechts- und Wirtschafts­verkehr sonderbar an. Vor dem Hintergrund der gesetzlich bestimmten Unbeacht­lichkeit eines geheimen Vorbehalts verwundert die Aussage des Zeugen: „Für mich waren diese mündlich mit Herrn L. vereinbarten Termine nicht gezielte Termine. Die waren ja nur mündlich abgesprochen. Für mich waren das Termine, zu denen wir versuchen wollten, zu installieren. Ich mache da schon einen Unterschied: wenn mir die Pistole auf die Brust gesetzt wird mit Terminen, dann schriftlich.“

Nachdem die Telefonanlage der Beklagten somit nicht, wie vereinbart, bis zum Jahreswechsel zur Verfügung stand, hat die Beklagte dies in Gesprächen mit dem Zeugen C. beanstandet und durch die Vereinbarung weiterer Liefertermine im Januar 1998 der Klägerin ausreichend Gelegenheit gegeben, Abhilfe zu schaffen, wie das Gesetz dies verlangt.“

Die Klägerin meinte aber, der Beklagten sei es verwehrt, sich auf die nur um wenige Minuten versäumte Frist zu berufen. Der Grund für die Kündigung sei vielmehr die Installation einer Telefonanlage von einem Wettbewerber der Klägerin. Dieses Argument wies das Gericht zurück:

„Unabhängig davon hat die Klägerin selbst sich in hohem Maß vertragsuntreu und treuwidrig verhalten. Dabei muß zunächst nur wieder an das sonderbare Verständnis des die Vertrags­ver­hand­lungen für die Klägerin führenden Zeugen C. hinsichtlich ausdrücklich mündlich vereinbarter Termine erinnert werden. Dieses Verhalten setzte sich dann bei der Verabredung dreier weiterer Termine im Januar 1998 fort. Dann wollte die Klägerin eine gebrauchte Telefonanlage bei der Beklagten installieren, worauf sich diese schon überhaupt nicht einlassen mußte, auch wenn sie eventuell funktionsgleich mit der bestellten Anlage gewesen wäre. Allein der zweimalige störende Umstand der Installation stand einer Verpflichtung der Beklagten entgegen, dieses Angebot der Klägerin zu akzeptieren. Alle diese Umstände werden schließlich überboten von dem Umstand, daß die Klägerin aus Gründen der Umstellung ihrer EDV in der Zeit nach dem Jahreswechsel 1997/98 gar nicht wußte, wann überhaupt sie die der Beklagten vermietete Telefonanlage würde produzieren können, wie der Zeuge B., ein Vertriebsleiter der Klägerin, bei seiner Vernehmung erklärte. So nachvollziehbar dieser Grund auch sein mag, er stammt im Verhältnis zur Beklagten ausschließlich aus der Sphäre der Klägerin, die die daraus abzuleitenden Konsequenzen zu tragen hat.

Vor diesem Hintergrund wird die Treuwidrigkeit der Vereinbarung eines Liefertermins vor dem Jahreswechsel besonders deutlich, wird aber noch übertroffen von der Tatsache, daß der Zeuge C. drei weitere Termine im Januar vereinbarte, obwohl zu dieser Zeit völlig offen war, wann die Anlage überhaupt würde produziert werden können.“

Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt/Main vom 17.03.2000

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