21.11.2024
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Dokument-Nr. 4244

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Urteil04.05.2007Landgericht Frankfurt am Main3-11 O 260/06
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Landgericht Frankfurt am Main Urteil04.05.2007

Zentralbank darf Geld weiterhin selbst zählenNiedrige Gebühren sind kein Verstoß gegen Kartell- oder Wettbe­wer­bsrecht

Die von einer Zentralbank vorgenommene Geldsortierung mit entsprechenden Maschinen stellt keine privat­wirt­schaftliche Dienstleistung dar, sondern die Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Bargeld­ver­sorgung. Daher kommt weder Kartell- noch Wettbe­wer­bsrecht gegenüber gewerblichen Geldsortierern zur Anwendung. Dies hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden.

Die Klägerin ist ein Wirtschafts­verband der im Bereich Geld- und Werttransporte tätigen Unternehmen.

Die Beklagte ist als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken. Ihr obliegt u.a. die Sorge für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungs­verkehrs. Diese Aufgabe beinhaltet neben der Sicherung der Qualität der umlaufenden Banknoten die Prävention und Bekämpfung von Falschgeld sowie die Gewährleistung einer reibungslosen Bargeld­ver­sorgung. Um dies zu gewährleisten, hat die Beklagte mit dem Zentralen Kreditausschuss der Bankenverbände eine Vereinbarung getroffen, wonach prinzipiell sämtliche Banknoten den Weg über die Beklagte nehmen müssen, bevor sie von den Banken wieder ausgegeben werden. Nach den bislang geltenden Einlie­fe­rungs­vor­schriften der Beklagten, müssen die bei ihr eingezahlten Banknoten getrennt werden nach Stückelung (sortenrein) und jede Stückelung muss in der gleichen Richtung (Vorder- und Rückseite) ausgerichtet sein (lagenrein). Die sorten- und lagenreinen Banknoten müssen als so genannte Normpäckchen mit jeweils 100 Banknoten zusammengefasst und mit einem Streifband versehen sein, auf dem u.a. der Name des Einzahlers vermerkt ist. Diese aufwendige Aufbereitung der Banknoten vor der Einlieferung bei der Beklagten erfolgt durch die im Bereich der Geld- und Werttransporte tätigen Unternehmen (so genannte private Bargeldakteure).

Die Beklagte begann im Februar 2006 ihre bislang für die Bankno­ten­be­a­r­beitung eingesetzten Maschinen sukzessive durch so genannte multi­stü­cke­lungs­fähige Bankno­ten­be­a­r­bei­tungs­systeme zu ersetzen. Diese können auch unsortierte Banknoten bearbeiten, wodurch die bislang erforderliche aufwendige Aufbereitung der Banknoten durch die privaten Bargeldakteure entfällt.

Mit der Klage wollte die Klägerin der Beklagten unter Berufung auf Kartell- und Wettbe­wer­bsrecht untersagen lassen, von der jahrelang geübten Praxis abzuweichen, weil die von der Beklagten nunmehr angebotene Zusatz­dienst­leistung des Sortierens und Aufbereitens von Bargeld keine hoheitliche Aufga­be­n­er­füllung darstelle.

Dem folgte die 11. Kammer für Handelssachen nicht. Die Kammer führt in ihrer Entscheidung aus:

„….Der von der Klägerin behauptete Verstoß der Beklagten gegen Normen des europäischen und deutschen Kartellrechts sowie gegen das Lauter­keitsrecht scheitert schon daran, dass die Beklagte durch die von der Klägerin beanstandete Annahme von unsortierten Banknoten und das Bearbeiten der überlassenen Banknoten keine privat­wirt­schaftliche Dienstleistung erbringt, sondern die Beklagte die unsortierten Banknoten im Rahmen der Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Bargeld­ver­sorgung entgegennimmt. Die Wettbe­wer­bs­regeln der Art. 81 ff. EG richten sich an Unternehmen und Unter­neh­mens­ver­ei­ni­gungen, unabhängig davon, ob es sich um öffentliche oder private Unternehmen handelt (vgl. Art. 86 EG). Nach dem so genannten funktionalen Unter­neh­mens­begriff ist Unternehmen im Sinne des europäischen Kartellrechts jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (vgl. EuGH 23.04.1991, Slg. I 1979 Rn. 21 – Höfner u. Elser). Keine wirtschaftliche Tätigkeit liegt dagegen vor, wenn das zu beurteilende Verhalten in der Ausübung von Hoheitsgewalt besteht, wenn also die betreffende Einheit im öffentlichen Interesse und nicht zu Erwerbszwecken tätig wird….

Die im vorliegenden Verfahren umstrittene Tätigkeit der Annahme und Bearbeitung des bei der Beklagten unsortiert eingelieferten Bargelds wird von dieser in Erfüllung der ihr durch das Bundes­bank­gesetz übertragenen hoheitlichen Aufgaben, nämlich der Sicherung der Qualität der umlaufenden Banknoten sowie der Prävention und Bekämpfung von Falschgeld ausgeübt. Schwerpunkt der Tätigkeit der Beklagten ist die ihr nach dem Gesetz obliegende Prüfung der Echtheit und Umlauffähigkeit der eingelieferten Banknoten. Die bislang für die Inanspruchnahme der Prüfungsaufgabe erforderliche Sortierung und Aufbereitung der Banknoten - die eine privat­wirt­schaftliche Tätigkeit darstellt – entfällt nunmehr, soweit die Beklagte nach Einführung der multi­stü­cke­lungs­fähigen Bankno­ten­be­a­r­bei­tungs­ma­schinen die Anforderungen an die Einlieferung der zu prüfenden Banknoten herabgesetzt hat. Die herabgesetzten Anforderungen für die Inanspruchnahme der Prüfungsaufgabe der Beklagten ändern jedoch nichts daran, dass die Beklagte bei der Annahme und Bearbeitung der eingelieferten Banknoten weiterhin im Rahmen ihres hoheitlichen Sorgeauftrags tätig wird.

…Aufgrund des hoheitlichen Handelns der Beklagten bei der Annahme und Bearbeitung von unsortierten Banknoten sind auch die Vorschriften des UWG nicht anwendbar. Eine für die Anwendung des UWG erforderliche Wettbe­wer­bs­handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG liegt nicht vor, wenn die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird. Dieser Bereich staatlichen Handelns ist anders als die erwer­bs­wirt­schaftliche Betätigung der öffentlichen Hand und die allgemeine öffentliche Aufga­be­n­er­füllung ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung einer Überprüfung anhand des Wettbe­wer­bs­rechts entzogen. Im vorliegenden Fall erfolgt die Annahme und Bearbeitung der bei der Beklagten eingelieferten Banknoten aufgrund der ihr durch das Bundes­bank­gesetz übertragenen Aufgaben zur Sicherung der Bargeld­ver­sorgung.

….Entgegen dem Vortrag der Klägerin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte beabsichtigt, durch das von der Klägerin angegriffene Entgeltmodell für die Annahme und Bearbeitung von unsortierten Banknoten private Konkurrenten in unbilliger Weise vom Markt zu verdrängen...“

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 04/07 des LG Frankfurt am Main vom 04.05.2007

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