Landgericht Frankfurt am Main Urteil16.04.2025
Rücktritt von Pauschalreise wegen Überschwemmungen in ItalienReiseveranstalter hat keinen Anspruch auf eine Rücktrittsentschädigung
Ein Pauschalreisender kann von seinem Reisevertrag jederzeit vor Reisebeginn zurücktreten. Im Gegenzug hat der Reiseveranstalter dann in der Regel einen Anspruch auf Entschädigung. Der Reisende muss aber keine Rücktrittsentschädigung zahlen, wenn am Bestimmungsort der Reise oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Reise oder die Beförderung dorthin erheblich beeinträchtigen. Einen solchen Umstand stellten die extremen Regenfälle und massiven Überschwemmungen im Mai 2024 in Norditalien dar. Dies hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden.
In diesem Fall hatte der spätere Kläger für sich und eine weitere Person eine Pauschalreise „Kultur und Genuss in Italien 2023“ zu einem Preis von rund 2.400 € gebucht. Die Reise sollte vom 12. bis 19. Juni 2023 stattfinden. Am 16. Mai 2023 ereigneten sich in Norditalien heftige Unwetter. In der Region Bologna wurde der Katastrophenalarm ausgelöst. Es kam zu Erdrutschen und Überflutungen sowie etlichen Todesopfern. Nach dem Unwetter waren die Straßen aufgrund massiver Müllmengen kaum passierbar. Es wurden Badeverbote verhängt, da Coli-Bakterien über überflutete Flüsse ins Meer gelangt waren. Strände wurden geschlossen und es bestand die Gefahr einer Mückenplage.
Kläger erklärte einen Tag nach dem Unwetter den Rücktritt von der Reise
Der Kläger erklärte einen Tag nach dem Unwetter, am 17. Mai 2023, den Rücktritt von der Reise und verlangte den bereits gezahlten Reisepreis zurück.
Das Amtsgericht gab seiner Klage statt. Die Berufung des Reiseveranstalters gegen diese Entscheidung hatte vor der Reiserechtskammer des Landgerichts keinen Erfolg.
Landgericht: Reiseveranstalter hat keinen Entschädigungsanspruch
Die Kammer erklärte, der Kläger habe vor Reisebeginn jederzeit vom Vertrag zurücktreten können. Grundsätzlich eröffne das Gesetz dem Reiseveranstalter im Gegenzug zwar einen Entschädigungsanspruch, den er dem Reisenden entgegenhalten könne. Im vorliegenden Fall stünde dem Reiseveranstalter jedoch keine Entschädigung zu.
Oberlandesgericht: Reisender schuldet keine Rücktrittsentschädigung
Die Reiserechtskammer führte in ihrer Berufungsentscheidung aus: „Der Reisende schuldet keine Rücktrittsentschädigung, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Reise oder die Beförderung dorthin erheblich beeinträchtigen.“ Maßgeblich für einen entschädigungslosen Rücktritt eines Reisenden sei, ob zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bei einer sog. ex-ante Beurteilung aufgrund einer Prognose anzunehmen sei, dass besagte Umstände bis zum Reiseantritt auftreten.
Reisender trägt das Prognoserisiko
„Der Reisende trägt grundsätzlich das Prognoserisiko, insbesondere falls er den Rücktritt vorschnell erklärt und in diesem Moment (noch) keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise oder Anreise zu erwarten ist“, erläuterte die Kammer. Im vorliegenden Fall habe für einen Durchschnittsreisenden in der Lage des Klägers zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung jedoch die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestanden, dass aufgrund der extremen Regenfälle und massiven Überschwemmungen die Reise nach Norditalien mit Gefahren und Einschränkungen verbunden sein würde. Zu nennen seien die Beschädigung von Straßen, Gebäuden und der Infrastruktur oder die Verbreitung von Bakterien und Krankheiten. Der Einwand des beklagten Reiseveranstalters, die Reise sei später wie geplant mit den übrigen Teilnehmern der Reisegruppe beanstandungsfrei durchgeführt worden, sei nicht entscheidend.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.07.2025
Quelle: Landgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/pt)