15.11.2024
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Dokument-Nr. 2014

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Landgericht Frankfurt am Main Urteil26.01.2000

Vorgetäuschter KFZ-Diebstahl

Wird ein PKW in einem anderen Land ohne Vorliegen von Aufbruchspuren entwendet und weisen die Origi­nal­sch­lüssel keine Kopierspuren auf, so ist der Diebstahl mit hoher Wahrschein­lichkeit vorgetäuscht. Dann ist die Versicherung von ihrer Leistung frei, wenn der Eigentümer nicht seinerseits beweist, daß der PKW doch ohne seinen Willen gestohlen wurde, was im Regelfall nicht möglich ist.

Diese Grundsätze der Rechtsprechung hat das Landgericht Frankfurt am Main auf den Fall der behaupteten Entwendung eines Mazda MX-3 in Warschau angewandt und die Klage auf Zahlung von DM 14.250,00 abgewiesen.

Ende November 1998 fuhr die Ehefrau des Klägers mit dem Mazda MX-3 nach Polen. Am 03.12.1998 zeigte sie gegenüber der Polizei in Warschau den Diebstahl des Fahrzeugs an. Weitere Zeugen als die Ehefrau des Klägers werden in der Ermittlungsakte der Staats­an­walt­schaft Warschau nicht erwähnt. Der Kläger meldete das Fahrzeug gegenüber der Beklagten als gestohlen. Am 16.12.1998 wurde das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 78740 km unverschlossen und mit polnischen Kennzeichen versehen auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang des Nordfriedhofs in Warschau sichergestellt. Der Wagen wies keinerlei Aufbruchspuren auf. Lenkradschloß, Lenkr­ad­ver­kleidung und Verkabelung waren ebenfalls unversehrt. Anzeichen für ein Kurzschließen des Fahrzeugs lagen nicht vor.

Zur Begründung der Klageabweisung heißt es im Urteil auszugsweise und teilweise sinngemäß:

Nach der ständigen Rechtsprechung erbringt der Versi­che­rungs­nehmer den ihm obliegenden Beweis einer Entwendung des Fahrzeugs, wenn er das äußere Bild einer Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrschein­lichkeit den Schluß auf eine Entwendung zulassen. Insofern kommen dem Versi­che­rungs­nehmer wegen der im Falle des Kraft­fahr­zeug­die­b­stahls regelmäßig gegebenen Beweisnot deutliche Bewei­ser­leich­te­rungen zugute. Es reicht aus, wenn er beweist, daß er das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und später dort nicht mehr vorgefunden.

Gelingt dem Versi­che­rungs­nehmer der Beweis des äußeren Bildes einer Entwendung, so kann der Versicherer dies durch die Darlegung und den Beweis von Tatsachen entkräften, die dafür sprechen, daß der Diebstahl nur vorgetäuscht ist. Hierbei genügt es, daß sich aus den vom Versicherer vorgetragenen Tatsachen mit erheblicher Wahrschein­lichkeit auf eine Vortäuschung des Diebstahl schließen läßt. Der Kläger hat das äußere Bild einer Entwendung vorgetragen. ...

Unstreitig fehlen an dem Fahrzeug [jedoch] jegliche Aufbruchsspuren. Demnach kann der Wagen - selbst wenn er entsprechend dem klägerischen Vortrag abgestellt und verschlossen worden sein sollte - nur mit einem passenden Schlüssel weggefahren worden sein. Ein solcher Befund führt dazu, daß der Versi­che­rungs­nehmer, um den Beweis für das äußere Bild eines Diebstahls zu erbringen, mehr als nur das Abstellen und Nicht­wie­der­auf­finden des Fahrzeugs darlegen und beweisen muß. Er muß in diesem Fall Tatsachen darlegen und beweisen, die mit hinreichender Wahrschein­lichkeit erklären, wie der Täter gegen seinen Willen in den Besitz eines passenden Schlüssels gekommen ist.

Dies ist dem Kläger nicht gelungen. Er hat der Beklagte mitgeteilt, die Autoschlüssel hätten sich immer bei ihm und seiner Frau befunden. Sie beide hätten sich - mit Ausnahme von Werkstat­t­auf­ent­halten wegen Reparaturen und Inspektionen - nie von den Schlüsseln getrennt. In seiner Schadensanzeige findet sich die Angabe, daß das Fahrzeug als Neuwagen von dem Mazda-Vertragshändler H. gekauft und dort auch gewartet worden sei.

Auf der Grundlage dieser Umstände besteht - ungeachtet des Ergebnisses des gegen ein Kopieren sprechenden Schlüs­sel­gut­achtens - keine greifbare Möglichkeit, wie ein Dritter an eine Kopie des Schlüssels gekommen sein könnte. Auch ein unredlicher Mitarbeiter des Autohauses H. scheidet aus, da der angebliche Diebstahl des Wagens nicht am Wohnort des Klägers oder in der näheren Umgebung, sondern in Polen, begangen wurde. Für einen Mitarbeiter des Autohauses war das Fahrzeug hier nicht auffindbar. Der später - nachgeschobene - Vortrag, das Fahrzeug sei („selbst­ver­ständlich") gelegentlich zu Inspektionen und Reparaturen „in diversen Werkstätten“ gewesen und „mindestens einen Werkstattbesuch" habe es auch in Polen gegeben, ändert an dieser Bewertung nichts. Das Vorbringen ist angesichts der zuvor geschilderten Angaben des Klägers bereits unglaubhaft. Im übrigen erklärte auch ein Werkstat­t­auf­enthalt in Polen nicht, wie der angebliche Täter davon Kenntnis erlangt haben soll, daß sich das Fahrzeug am Abend des 3.12.1998 gerade in der Marszalkowska Straße in Warschau befand. Soweit der Kläger meint, einer der Schlüssel könne ohne das Hinterlassen von Spuren kopiert worden sein, erklärt auch dies nicht mit hinreichender Wahrschein­lichkeit, wie der Täter gegen seinen oder den Willen seiner Ehefrau in den Besitz eines passenden Schlüssels gekommen ist. Es bleibt vielmehr unklar bei welcher Gelegenheit ein solcher Kopiervorgang geschehen sein soll.

Diese Frage stellt sich um so mehr, als es sich bei dem streit­ge­gen­ständ­lichen Fahrzeug um einen zum Zeitpunkt der behaupteten Entwendung immerhin fast 6 ½ Jahre alten Wagen einer von Kraft­fahr­zeug­dieben nicht besonders bevorzugten Marke mit einem Wieder­be­schaf­fungswert von allenfalls 14.550 DM gehandelt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der oder die Täter angesichts der relativen Gering­wer­tigkeit des Fahrzeugs ein so aufwendiges Kopierverfahren zur Anwendung gebracht haben sollen. Überdies kann, wie bereits dargelegt, nach dem klägerischen Vortrag ausgeschlossen werden, daß dem Täter vor der angeblichen Entwendung ein Origi­nal­sch­lüssel für einen solchen Kopiervorgang zur Verfügung stand. Die vorgenannten Zweifel gegen die Durchführung eines aufwendigen spurenlosen Kopier­ver­fahrens gelten auch für die - theoretisch bestehende - Möglichkeit einer Entwendung des Fahrzeugs mit einem besonderen Werkzeug (Dietrich), einem passenden General­sch­lüssel oder einem nach Code gefertigten Nachschlüssel. Dieser Mittel bedienen sich im Regelfall professionell vorgehende Autodiebe oder Diebesbanden. Für diese jedoch ist das streit­ge­gen­ständliche Fahrzeug nicht das geeignete Diebstahl­s­objekt. Damit kann festgestellt werden, daß zum einen der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, wie der Täter gegen seinen Willen in den Besitz eines passenden Schlüssels gekommen sein soll, und zum anderen eine erhebliche Wahrschein­lichkeit der Vortäuschung der Entwendung besteht. Eine solche erhebliche Wahrschein­lichkeit liegt insbesondere dann vor, wenn aufgrund fehlender Aufbruchspuren am wieder­auf­ge­fundenen Fahrzeug feststeht, daß dieses mit einem passenden Schlüssel in Gang gesetzt wurde und ein Nachsch­lüs­sel­die­bstahl nur theoretisch in Betracht kommt, weil die Entwendung nicht am üblichen Abstellort erfolgte. Dies gilt hier um so mehr, da noch nicht einmal Spuren für die Anfertigung eines Nachschlüssels vorliegen.

Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt/Main vom 30.03.2000

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