15.11.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 2019

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Landgericht Frankfurt am Main Urteil09.03.2000

Beleh­rungs­pflicht der Bank

Läßt eine Bank in Kenntnis eines konkreten Wissens­vor­sprungs eine erkennbar geschäfts­u­ner­fahrene Kundin sehenden Auges ein Geschäft eingehen, mit dem diese sich nur selbst schädigen kann, so ist die Bank zum Verzicht auf die Rechte aus dem geschlossenen Darle­hens­vertrag verpflichtet und muß die mit dem Kredit finanzierte Eigen­tums­wohnung zurücknehmen.

Mit dieser Begründung hat das Landgericht Frankfurt am Main der Klage einer sich getäuscht fühlenden Kundin gegen eine deutsche Großbank Recht gegeben.

Die Klägerin nahm bei der Beklagten ein Darlehen über DM 247.500 zum Zweck des Erwerbes einer Eigen­tums­wohnung auf. Grundlage war die Konzeption der Verkäuferin unter Einschaltung eines Treuhänders. Der Treuhandauftrag umfaßte den Auftrag zum Erwerb der Eigen­tums­wohnung, zum Abschluß eines Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­ver­trages mit der Verkäuferin, eines Mietgarantieund Mietver­wal­tungs­vertrags, eines Steuer­be­ra­tungs­vertrags sowie eines Verwal­tungs­vertrags nach dem WEG. Die Grundaussage des Konzepts der Verkäuferin war, der Anleger müsse sich um nichts kümmern, die gesamte Abwicklung würde durch ausgewählte Unternehmen vorgenommen. Die Beklagte war die finanzierende Bank sowohl der Klägerin als auch der Verkäuferin. Die Verkäuferin stellte der Klägerin im Rahmen der Finanzierung zunächst eine persönliche Berechnung für die ersten drei Jahre. Sie stellte dann bei der Beklagten für die Klägerin einen Finan­zie­rungs­antrag und reichte die erforderlichen Unterlagen zur Bonitätsprüfung ein. Anhand dieser Unterlagen wurde die Finanzierung überprüft. Die Beklagte sandte dann die Unterlagen zurück an die Verkäuferin, die sie zum Zweck der Unterzeichnung an die Klägerin weiterleitete. Die Verkäuferin erhielt von der Beklagten eine „Innenprovision“ von 21,5 % des Kaufpreises, ohne daß diese ausgewiesen worden war. Entgegen den Ankündigungen führte der Erwerb und die Vermietung der Eigen­tums­wohnung zu beträchtlichen Verlusten bei der Klägerin, die ihren wirtschaft­lichen Ruin hätten bedeuten können.

In dem für die Klägerin erfreulichen Urteil heißt es auszugsweise (und teilweise sinngemäß):

„Innerhalb des zwischen den Parteien bestehenden Vertrau­ens­ver­hält­nisses hat die Beklagte eine objektive Pflicht­ver­letzung begangen, indem sie es unterlassen hat, die Klägerin vor Abschluß der Darle­hens­verträge über ihr bekannte Umstände in Bezug auf den Immobi­li­en­kauf­vertrag aufzuklären, die für die Klägerin erkennbar von Bedeutung waren.

Grundsätzlich trifft zwar die Beklagte keine allgemeine Inter­es­sen­wah­rungs­pflicht zugunsten ihrer Kunden und damit regelmäßig auch keine Aufklä­rungs­pflicht hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der Kreditaufnahme überhaupt oder der damit allgemein verbundenen Risiken. Grundsätzlich darf sie davon ausgehen, daß der Kreditnehmer selbst über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt oder sich der Hilfe von Fachleuten bedient. Insofern muß sie lediglich dafür Sorge tragen, daß das von ihr angebotene Finanzprodukt dem Risiko- und Bedürfnisprofil ihres Kunden angepaßt ist, indem sie bei der Gewährung von Krediten die Einkommens- und Vermö­gens­ver­hältnisse des Darle­hens­nehmers prüft, um die sich aus der Kreditgewährung ergebenden und von der Bank zu tragenden Risiken zu begrenzen.

Hier aber liegt einer der von der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vor, in dem eine Aufklä­rungs­pflicht seitens der Beklagten zu bejahen ist, da diese die für sie erkennbar geschäfts­u­ner­fahrene Klägerin nicht sehenden Auges ein Geschäft hätte eingehen lassen dürfen, mit dem sie sich nur selbst schädigen konnte. Auch wenn die Klägerin nicht nachweisen konnte, daß der Beklagten im Zeitpunkt der Kreditgewährung die Zahlungs­un­fä­higkeit der Verkäuferin und der anderen Beteiligten bereits bekannt war oder sie davor zumindest ,,die Augen verschloß", was ebenfalls den Ausnah­me­tat­bestand erfüllt hätte, sieht es die Kammer jedoch als erwiesen an, daß die Beklagte einen anderen konkreten Wissens­vor­sprung über spezielle Risiken des Immobi­li­en­projekts, nämlich über die Höhe der im Kaufpreis enthaltenen aber nicht ausgewiesenen Innen­pro­vi­sionen von ca. 21,5 % hatte.

Der damit bewiesene Umstand, daß mehr als 1/5 des Kaufpreises der erworbenen Wohnung nicht werthaltig ist, ist ein die Schwer­wie­genheit des Inter­es­sen­kon­fliktes begründender Umstand, der die Beklagte zur Aufklärung verpflichtete. Die Klägerin ging berech­tig­terweise davon aus, daß im Kaufpreis nicht noch andere Gebühren und Provisionen enthalten waren, als die ausgewiesenen 5 % an Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­pro­vision und weitere 3 % als Auftrags- und Bearbei­tungs­gebühr.

Die Beklagte ist verpflichtet, den der Klägerin entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Schaden liegt hier in der Eingehung der Darle­hens­verträge. Die Beklagte hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn sie ihrer Aufklä­rungs­pflicht nachgekommen wäre. In Fällen wie diesem besteht die Vermutung, daß bei Kenntnis der Innen­pro­vi­sionen der Klägerin Zweifel an der Zweckmäßigkeit des Immobi­li­en­ge­schäfts gekommen wären, sie dieses somit nicht abgeschlossen hätte und dann auch keine Darle­hens­ver­pflichtung eingegangen wäre.

Die Klägerin hat somit Anspruch darauf, daß die Beklagte auf sämtliche streit­ge­gen­ständ­lichen Ansprüche aus den Darle­hens­ver­trägen Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungs­ei­gentums verzichtet.“

Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt vom 21.03.2000

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