15.11.2024
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Landgericht Frankfurt am Main Urteil10.05.2000

Kein Erstat­tungs­an­spruch bei geschütztem Baum

Gehen von den Wurzeln eines auf dem Nachba­r­grundstück stehenden Baumes Schäden aus, so kann von dem Nachbarn kein Ersatz für die Kosten von deren Beseitigung verlangt werden, wenn der Baum von der Baumsatzung der Stadt Frankfurt am Main geschützt wird.

Die Klage einer Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin auf Ersatz der Kosten für die Wieder­her­richtung ihrer von den Wurzeln des Nachbarbaums beschädigten Hofeinfahrt in Höhe von DM 2.800,00 blieb deshalb auch in zweiter Instanz beim Landgericht ohne Erfolg.

Die Parteien sind Nachbarn in der Vogtstraße in Frankfurt am Main. Das Haus der Klägerin wurde in den 50iger Jahren gebaut Der Beklagte hat das Nachba­r­grundstück 1987 erworben. Unmittelbar an der Grund­s­tücks­grenze befindet sich eine große Pappel. Deren Wurzeln wachsen auf das Grundstück der Klägerin hinüber und haben die unmittelbar an der Grenze befindliche Hofeinfahrt beschädigt. Die Bauauf­sichts­behörde hat einen Besei­ti­gungs­antrag hinsichtlich der Wurzeln abgelehnt, da der Baum nach der Baumsatzung schutzwürdig sei. Die Bauauf­sichts­behörde und die Klägerin einigten sich darauf, daß die Wurzeln des Baumes nicht beschnitten werden dürften, die Klägerin aber eine Aufschüttung der Hofeinfahrt vornehmen durfte. Nach Abschluß dieses Vergleichs verlangte die Klägerin vom Beklagten Schadenersatz für die Kosten der Reparatur der Hofeinfahrt. Die beim Amtsgericht erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Auch die Berufung blieb erfolglos.

Im Urteil heißt es auszugsweise und teilweise sinngemäß:

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz der für die Beseitigung von durch das Wurzelwerk des Baumes des Beklagten verursachten Schäden im Bereich ihrer Hofeinfahrt aufgewendeten Kosten zu. Wenn Wurzeln von einem Nachba­r­grundstück eindringen und Schäden verursachen, stellt dies zwar grundsätzlich eine Eigen­tums­be­ein­träch­tigung dar. Vorliegend geht die Beein­träch­tigung des Grundstücks der Klägerin jedoch von einem Baum aus, welcher der Satzung der Stadt Frankfurt a.M zum Schutz des Baumbestandes unterliegt. Angesichts dessen ist der Beklagte nicht als Störer im Sinne des Gesetzes anzusehen. Die Klägerin ist gesetzlich zur Duldung der Eigen­tums­be­ein­träch­tigung verpflichtet.

Da der Beklagte den Baum nicht gepflanzt hat, könnte er allenfalls Zustandsstörer sein. Zustandsstörer ist derjenige, durch dessen Willen der eigen­tums­be­ein­träch­tigende Zustand aufrecht erhalten wird, von dessen Willen also die Beseitigung abhängt. Störer kann daher nur sein, wer die Beseitigung der Störung pflichtwidrig unterläßt. Unstreitig darf der an der Grund­s­tücks­grenze des Beklagten stehende Baum aufgrund der sog. Baumsatzung der Stadt Frankfurt a.M. weder gefällt noch in seinem Wurzelbereich beschnitten werden, da anderenfalls seine Standfestigkeit gefährdet ist. Die Baumsatzung der Stadt Frankfurt a.M. ist auf der Grundlage des Hessischen Natur­schutz­ge­setzes ergangen und stellt insofern ein die Befugnisse des Eigentümers einschränkendes Gesetz dar. Zu den die Eigen­tü­mer­stellung einschränkenden Gesetzen gehört jede Rechtsnorm, also auch eine Gemeindesatzung. Die Erhaltung von Bäumen innerhalb einer Großstadt dient der Sicherung der natürlichen Lebens­grundlagen, da sie wesentlich zur Klima­ver­bes­serung beitragen. Das Verbot von Eingriffen in geschützte Bäume richtet sich deshalb gegen jedermann und stellt eine öffent­lich­rechtliche Einschränkung der Eigen­tü­mer­be­fugnisse dar, die im Rahmen der Landgericht Frankfurt am Main - Pressestelle für Zivilprozeß Seite 2 Sozialbindung des Eigentums zulässig ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin erschöpft sich die Wirkung der Baumsatzung daher nicht in der Androhung von Bußgelder für Zuwider­hand­lungen, sondern begründet zivilrechtlich für die betroffenen Eigentümer eine Verpflichtung zur Duldung der von geschützten Bäumen ausgehenden Beein­träch­ti­gungen. Ebenso wie der Beklagte auf seinem Grundstück muß auch die Klägerin die störenden Auswirkungen des Baumes hinnehmen. Insofern ist ein Besei­ti­gungs­an­spruch ausgeschlossen.

Demgegenüber kann die Klägerin sich auch nicht darauf berufen, daß sie nicht Ersatz der Kosten für die Beseitigung von Wurzeln, sondern nur für deren Auswirkungen begehre. Letztlich will die Klägerin insoweit den Schaden geltend machen, der ihr durch das aufgrund der Baumsatzung zu duldende Wurzelwerk entstanden ist. Da der Beklagte ebenso wie die Klägerin zu Gunsten des Gemeinwohls die Auswirkungen des geschützten Baumes hinzunehmen hat, kommt auch ein Ersatzanspruch aufgrund des sog. nachbar­schaft­lichen Gemein­schafts­ver­hält­nisses, das nur in zwingenden Ausnahmefällen anwendbar ist und der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme entspringt, nicht in Betracht.

Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt/Main vom 04.08.2000

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