23.11.2024
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Dokument-Nr. 31220

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Landgericht Frankfurt am Main Urteil16.12.2021

Kein Schmerzensgeld wegen Quarantäne nach Rückreise aus RisikogebietQuarantäne-Verordnung ist rechtmäßig

Eine Absonderung von Personen, die von einem Risikogebiet nach Deutschland zurückreisen, ist auf Grundlage der Quarantäne-Verordnung des Landes Hessen vom 26. November 2020 rechtmäßig. Das hat die für Amtshaftungen zuständige 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main entschieden. Den betroffenen Reiserü­ck­kehrern steht kein Schmerzensgeld gegen das Land Hessen zu.

Die Corona-Quarantäne-Verordnung des Landes Hessen vom 26. November 2020 sieht vor, dass sich Personen, die aus einem nach dem Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz als Risikogebiet eingestuften Gebiet nach Deutschland einreisen, für zehn Tage in häusliche Absonderung begeben müssen. Frühestens ab dem fünften Tag nach der Einreise kann diese Quarantäne beendet werden, wenn ein ärztliches Zeugnis oder ein Testergebnis über das Nichtvorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 vorgelegt wird (sog. „Freitesten“).

Kläger gingen im März 2021 nach Rückreise aus Griechenland in Quarantäne

Die klagenden Eheleute reisten am 9. März 2021 mittels Flug von Heraklion über Athen nach Frankfurt ein. Griechenland war seinerzeit als Risikogebiet eingestuft. Unmittelbar nach ihrer Einreise in Deutschland ließen sie bei sich einen PCR-Test durchführen, der negativ ausfiel. Die Klägerin befand sich insgesamt sechs Tage in Quarantäne und verließ diese vorzeitig nach Durchführung eines negativen Antigen-Schnelltests. Der Kläger verlieb die vollen zehn Tage in häuslicher Absonderung.

Kläger verlangen Schmerzensgeld weil sie u.a. an Frustration, Ängsten, Schlafproblemen, Konzen­tra­ti­o­ns­s­tö­rungen, emotionaler Erschöpfung, Depression, Reizbarkeit, Existenzängsten gelitten hätten

Die Kläger haben behauptet, an Frustration, Ängsten, Schlafproblemen, Konzen­tra­ti­o­ns­s­tö­rungen, emotionaler Erschöpfung, Depression, Reizbarkeit, Existenzängsten und der vereinsamten Situation gelitten zu haben. Ihrer Ansicht nach habe das Land Hessen amtspflicht­widrig gehandelt, als es die Corona-Quarantäne-Verordnung erließ. Sie haben Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.250 Euro für die klagende Ehefrau und mindestens 2.500 Euro für den Ehemann gefordert.

Die Amtshaf­tungs­kammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat die Klage nun abgewiesen. „Entgegen der Ansicht der Kläger ist das Virus SARS-CoV-2 ein Krank­heits­erreger, der zur Lungenkrankheit COVID-19 führen kann und rechtfertigt daher grundsätzlich die Quarantäne als Schutzmaßnahme“, erklärten die Richter in ihrem Urteil. Die Kläger seien zurecht als „Anste­ckungs­ver­dächtige“ im Sinne des Infek­ti­o­ns­schutz­ge­setzes eingestuft worden, denn sie seien aus einem internationalen Risikogebiet eingereist. „Zudem saßen sie bei der Rückreise aus Athen nach Frankfurt mit mehreren Personen im Flugzeug eng zusammen, so dass auch die Gefahr bestand, Krank­heits­erreger aufgenommen und nach Deutschland mitgebracht zu haben“, stellten die Richter fest. „Dass die Kläger am Tag der Einreise mit einem negativen PCR-Test nachwiesen, nicht anste­ckungs­ver­dächtig gewesen zu sein, stellt nur eine Momentaufnahme dar, die wegen der Inkubationszeit keine Aussage über während und kurz vor Beginn des Fluges aufgenommene Erreger trifft“.

Richter: Quarantäne war verhältnismäßig

Die Quarantäne sei auch verhältnismäßig gewesen. Dem Interesse der Kläger, sich frei bewegen zu können, „stehen die Interessen der Allgemeinheit an einem möglichst wirksamen Schutz von Leib und Leben und dem öffentlichen Gesund­heits­system gegenüber“, erklärte die Kammer. „Hier überwiegt das auf Artikel 2 Absatz 2 Satz des Grundgesetzes gestützte öffentliche Interesse der Bevölkerung vor der weiteren Ausbreitung der hochan­ste­ckenden Viruskrankheit und am Schutz der Funkti­o­ns­fä­higkeit des Gesund­heits­wesens in Deutschland und der Schutz des in medizinischen Einrichtungen tätigen Personals vor einer akuten Überlastung sowie die weitgehende Offenhaltung von Schulen und Geschäften.“ Und weiter: „Die Gewährleistung der trotz der herrschenden Corona-Pandemie bestmöglichen Kranken­ver­sorgung stellt ein überragend wichtiges Gemein­schaftsgut dar, für dessen Schutz der Staat zu sorgen hat.“

Die Absonderung sei den Klägern auch deswegen zumutbar gewesen, „weil ihnen bereits vor Reisebeginn bekannt war, dass sie sich nach Wiedereinreise aus einem internationalen Risikogebiet in Absonderung zu begeben haben“. Zu berücksichtigen sei auch, „dass die Eingriff­sin­tensität maßgeblich durch die nach der Corona-Verordnung vorgesehene „Freites­tungs­mög­lichkeit“ gemindert wird“.

Richter: Kein Anspruch auf Schmerzensgeld

Die Kammer verneinte einen Schmer­zens­geldan­spruch der Kläger außerdem, weil die Absonderung nach ihrer Art, Dauer und Intensität kein schwerwiegender Eingriff in ihre Freiheitsrechte sei. Anders als etwa bei einer Strafhaft habe eine Quarantäne keine rufschädigende Wirkung. Die Kläger seien auch nicht an einem fremden Ort untergebracht worden, sondern hätten sich ohne Überwachung in ihrer eigenen Wohnung selbstbestimmt bewegen können.

Quelle: Landgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/pt)

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