21.11.2024
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Dokument-Nr. 32460

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Landgericht Frankfurt am Main Urteil14.12.2022

Twitter muss unwahre und ehrverletzende Äußerungen löschenAuch sinngemäße Kommentare mit identischem Äußerungskern sind zu entfernen

Betroffene können von Twitter verlangen, dass falsche oder ehrverletzende Tweets über sie gelöscht werden. Auch sinngemäße Kommentare mit identischem Äußerungskern muss Twitter entfernen, sobald es von der konkreten Persönlichkeits­rechts­verletzung Kenntnis erlangt. Das hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden.

Im September 2022 erschienen auf Twitter diverse Kommentare, in denen wahrheitswidrig behauptet wurde, der Antise­mi­tis­mus­be­auf­tragte des Landes Baden-Württemberg habe „eine Nähe zur Pädophilie“ und er habe „einen Seitensprung gemacht“. Außerdem wurde über ihn verbreitet, er sei in „antisemitische Skandale“ verstrickt und er sei „Teil eines antisemitischen Packs“.

Ehrenrührigen und unwahre Behauptungen

Die zuständige Pressekammer des Landgerichts Frankfurt am Main stellte in einem Eilverfahren fest, dass diese ehrenrührigen Behauptungen unwahr sind. Die Bezeichnung als Antisemit sei zwar zunächst eine Meinung­s­äu­ßerung. Sie sei aber jedenfalls in dem gewählten Kontext rechtswidrig, denn sie trage nicht zur öffentlichen Meinungsbildung bei und ziele erkennbar darauf ab, in emoti­o­na­li­sie­render Form Stimmung gegen den Antise­mi­tis­mus­be­auf­tragten zu machen.

Auch gleichwertige Äußerungen sind zu entfernen

Nachdem der Antise­mi­tis­mus­be­auf­tragte die Entfernung dieser Kommentare verlangt hat, hätte Twitter ihre Verbreitung unverzüglich unterlassen und einstellen müssen. Darüber hinaus entschied die Kammer: „Das Unter­las­sungsgebot greift nicht nur dann, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt wird, sondern auch, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden.“ Unter weiter: „Die Äußerungen werden nicht in jeglichem Kontext untersagt. Betroffen sind nur solche Kommentare, die als gleichwertig anzusehen sind und die trotz gewisser Abweichungen einen identischen Äußerungskern aufweisen.“

Prüfpflicht nur hinsichtlich konkreter Persön­lich­keits­rechts­ver­letzung

Twitter werde damit auch keine allgemeine Monitoring-Pflicht im Hinblick auf seine rund 237 Mio. Nutzer auferlegt. Eine Prüfpflicht bestehe nämlich nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persön­lich­keits­rechts­ver­letzung. „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unter­las­sungs­gebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charak­te­ris­tische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist. Twitter befindet sich damit in keiner anderen Situation, als wenn eine bestimmte Rechts­ver­letzung gemeldet wird. Auch in diesem Fall muss Twitter prüfen, ob diese Rechts­ver­letzung eine Löschung bedingt oder nicht“, so die Vorsitzende in der Urteils­be­gründung.

Veröf­fent­lichung zu Aufnahme in Liste der größten Antisemiten zulässig

Als zulässig erachtete die Kammer indes die Äußerung eines Nutzers, wonach der Antise­mi­tis­mus­be­auf­tragte des Landes Baden-Württemberg in die jährlich vom Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles veröffentlichte Liste der größten Antisemiten weltweit aufgenommen worden ist. Unabhängig davon, ob die Aufnahme in diese Liste gerechtfertigt sei, dürfe darüber informiert werden. Dagegen müsse sich der Antise­mi­tis­mus­be­auf­tragte im öffentlichen Meinungskampf zur Wehr setzen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Oberlandes-gericht Frankfurt am Main angefochten werden.

Quelle: Landgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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