23.11.2024
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Sie sehen den Auspuff eines Autos.

Dokument-Nr. 12388

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Urteil06.05.2011Landgericht Düsseldorf29 Ns 3/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NStZ-RR 2011, 355Zeitschrift: NStZ-Rechtsprechungsreport (NStZ-RR), Jahrgang: 2011, Seite: 355
  • NZV 2012, 194Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2012, Seite: 194
  • StRR 2011, 399Zeitschrift: StrafRechtsReport (StRR), Jahrgang: 2011, Seite: 399
  • VA 2011, 212Zeitschrift: Verwaltungsarchiv (VA), Jahrgang: 2011, Seite: 212
  • VkBl 2012, 635Zeitschrift: Verkehrsblatt (VkBl), Jahrgang: 2012, Seite: 635
  • VRR 2011, 433Arbeitszeitschrift für das gesamte Straßenverkehrsrecht (VRR), Jahrgang: 2011, Seite: 433
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ergänzende Informationen

Landgericht Düsseldorf Urteil06.05.2011

Keine Unfallflucht: Fremdes Auto mit selbständig wegrollenden Einkaufswagen zerkratztKein straßenverkehrs­spezifischer Gefahr­zu­sam­menhang bei Schaden durch wegrollenden Einkaufswagen

Wenn auf einem privaten Parkplatz ein Einkaufswagen ins Rollen gerät und ein Auto beschädigt, so liegt kein Verkehrsunfall vor und damit auch keine Fahrerflucht, wenn sich der verantwortliche Schädiger vom "Unfallort" entfernt. Dies hat das Landgericht Düsseldorf entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall hatte ein LKW-Fahrer in einem Einkaufszentrum eingekauft. Mit zwei Einkaufswagen machte er sich auf dem Weg zu seinem Lastkraftwagen. Beim Ausladen eines der Einkaufswagen geriet dann der andere Einkaufswagen selbständig ins Rollen und prallte gegen ein in einer gegen­über­lie­genden Parklücke abgestelltes Fahrzeug. Dadurch entstand an dem Pkw ein Sachschaden in Höhe von 1.496,78 Euro entstanden sein. Der LKW-Fahrer holte seinen Einkaufswagen zurück und verließ den Ort des Geschehens, obwohl er die Beschädigung wahrgenommen hatte.

Amtsgericht sieht Strafbarkeit gem. § 142 StGB

Der LKW-Fahrer musste sich wegen Unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB) verantworten. Das Amtsgericht verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20 Euro.

Landgericht Düsseldorf verneint Strafbarkeit gem. § 142 StGB

Das Landgericht Düsseldorf hob diese Entscheidung auf und sprach den Mann frei. Der Straftatbestand des Unerlaubten Entfernens vom Unfallort (umgangs­sprachlich: Fahrerflucht) sei nicht erfüllt.

Unfall im Straßenverkehr

Der Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort setze einen Unfall im Straßenverkehr voraus. Dies sei jedes plötzliche Ereignis, das mit dem Straßenverkehr und seinen Gefahren ursächlich zusammenhängt und zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden führe (vgl. BGH, NJW 2002, 626, 627).

Bereits der Geset­zes­wortlaut lege - ausgehend von der allgemeinen Auffassung, dass es für das Merkmal eines "Unfalls im Straßenverkehr" jedenfalls nicht ausreiche, wenn sich der Vorfall im öffentlichen Verkehrsraum ereigne (BGH, NJW 2002, 626, 627) - eine Auslegung nahe, die Vorgänge, die keinen Zusammenhang mit der Fortbewegung wenigstens eines der Beteiligten mittels eines Fahrzeuges aufweisen, vom Tatbestand des § 142 StGB auszunehmen. So möge es zwar etwa möglich sein, die Beschädigung eines Fahrzeuges beim Ein- und Aussteigen aus einem nebenstehenden Fahrzeug noch als Teil der Fortbewegung und somit als Unfall im Straßenverkehr zu begreifen (vgl. AG Berlin Tiergarten, Beschluss v. 16.07.2008 - (290 Cs) 3032 PLs 5850/08 (145/08) - = NJW 2008, 3728; vgl. auch OLG Stuttgart, NJW 1969, 1726: Hinunterklappen der Bordwand eines parkenden Lkw).

Keines der Fahrzeuge wurde bewegt

Einen Vorgang wie den vorliegenden, der mit der Bewegung mittels der beiden - im weitesten Sinne - involvierten Fahrzeuge (des Pkw Alfa Romeo und des Lkw Mercedes-Benz) keinen Zusammenhang aufweise, sondern allein auf die Bewegung des Einkaufswagens, der selbst kein Fahrzeug darstelle, zurückzuführen sei, dürfte jedoch bereits im allgemeinen Sprachgebrauch nicht als "Unfall im Straßenverkehr" angesehen werden, führte das Landgericht aus.

Schutzzweck der Norm

Entscheidend spreche aber der Schutzzweck der Norm gegen eine Einbeziehung derartiger Vorgänge in den Tatbestand des § 142 StGB. Die Feststel­lungs­dul­dungs­pflicht, deren Verletzung § 142 StGB mit Strafe bedrohe, stelle eine Besonderheit des Straßen­ver­kehrs­rechts dar (vgl. OLG Stuttgart, VRS 47, 15, 16). Denn außerhalb des Straßenverkehrs bestehe grundsätzlich weder bei vorsätzlichem noch bei fahrlässigem Verhalten eine strafrechtlich bewehrte Verpflichtung, am Ort des schädigenden Ereignisses zu verbleiben und die in § 142 StGB genannten Feststellungen zu ermöglichen bzw. eine angerissene Zeit zu warten, obwohl auch bei Vorgängen außerhalb des Straßenverkehrs die Vermö­gen­s­in­teressen des Geschädigten in gleicher Weise berührt sein mögen.

Eine Auslegung des Tatbestandes habe daher den oben genannten Schutzzweck zu berücksichtigen und sich innerhalb der durch ihn gezogenen Grenzen zu bewegen. Angesichts des dargelegten Ausnah­me­cha­rakters der Feststel­lungs­duldungs- und Wartepflicht im Straßenverkehr bestehe keine Veranlassung zu einer Auslegung, welche die Strafbarkeit über den genannten eingeschränkten Schutzzweck hinaus ausdehne.

Kein straßen­ver­kehr­s­s­pe­zi­fischer Gefahr­zu­sam­menhang

Unter Berück­sich­tigung dieser Grundsätze fehlte es nach der Auffassung des Gerichts in der vorliegenden Konstellation an dem erforderlichen straßen­ver­kehr­s­s­pe­zi­fischen Gefahr­zu­sam­menhang und somit an einem Unfall im Straßenverkehr. Denn die Fortbewegung mittels des auf dem Parkplatz abgestellten Fahrzeuges möge zwar den ursprünglichen Anlass gebildet haben, weshalb der schädigende Einkaufswagen zum Be- und Entladen in die Position verbracht wurde, von der aus er sodann selbsttätig gegen das weitere geparkte Fahrzeug rollen konnte. Es liege insoweit zwar ein Kausa­l­zu­sam­menhang im weitesten Sinne zwischen der Fortbewegung mittels des Lkw und dem schädigenden Ereignis vor. Jedoch fehle es an der darüber hinausgehenden Voraussetzung eines straßen­ver­kehr­s­s­pe­zi­fischen Gefahr­zu­sam­men­hanges.

Denn das Wegrollen eines Einkaufswagens auf einem Parkplatz habe mit der besonderen Schaden­s­träch­tigkeit und Typizität gerade des öffentlichen Straßenverkehrs nichts zu tun.

Quelle: ra-online, Landgericht Düsseldorf (vt/pt)

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