23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.
ergänzende Informationen

Landgericht Coburg Urteil

Zur Ersatzpflicht der Vollkas­ko­ver­si­cherung bei platzenden Reifen und Folgeschäden durch die Reifenteile

Einer der Albträume jedes Kraftfahrers: Bei hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn platzt ein Reifen. Wohl dem, der in derartiger Situation Ruhe und gerade Fahrt bewahrt. Doch selbst dann können herumwirbelnde Reifenteile am eigenen Fahrzeug erheblichen Schaden verursachen. Ein Fall für die Vollkasko?

Ja, aber nur, wenn nicht ein sogenannter Betriebsschaden vorliegt, befanden nun Amts- und Landgericht Coburg. Der Schaden dürfe nicht nur auf – z. B. altersbedingtem - Verschleiß beruhen. Da am Fahrzeug des Klägers beide Hinterreifen gleichzeitig geplatzt waren, gingen beide Gerichte von einem von außen einwirkenden Ereignis aus. Und verurteilten die Vollkas­ko­ver­si­cherung antragsgemäß zur Zahlung von rund 2.400,- DM.

Ausgerechnet auf Urlaubsfahrt und einer Autobahn der Alpenrepublik Österreich ließen den Kläger beide Hinterreifen seines Wohnmobiles im Stich. Er konnte sein schlingerndes Fahrzeug zwar noch abfangen und –bremsen, musste jedoch Beschädigungen an einer Felge und Radhäusern und –läufen feststellen. Sich ablösende Reifenteile hatten für Beulen gesorgt. An Reparaturkosten liefen rund 3.400,- DM auf, von denen der Kläger nach Abzug seiner Selbst­be­tei­ligung 2.400,- DM von der Vollkas­ko­ver­si­cherung ersetzt haben wollte. Die verweigerte die Zahlung aber mit dem Hinweis, es handele sich um einen Betriebsschaden. Und für den sei der Versi­che­rungs­schutz durch ihre Versi­che­rungs­be­din­gungen („das Kleingedruckte“) ausgeschlossen. Außerdem bezweifle sie den Unfallhergang. Nach den Reifen platzte dem Kläger nun der Kragen: Er klagte.

Mit Erfolg. Das Amtsgericht Coburg sprach ihm den geforderten Betrag in voller Höhe zu. Es führte aus, nach Vernehmung der Ehefrau sei es davon überzeugt, dass tatsächlich beide Hinterreifen gleichzeitig kaputt gegangen seien. Das deute aber auf das Überfahren eines Gegenstandes hin. Bei einem Betriebsschaden platze hingegen in der Regel nur ein Reifen – was zum allgemein bekannten Wissensstand gehöre. Die Versicherung wollte den Richterspruch so nicht akzeptieren und führte Berufung vor dem Landgericht Coburg. Das Amtsgericht habe übersehen, dass z. B. erst ein Reifen und durch das anschließende Schlingern dann der andere geplatzt sein könne. Die Richter des Landgerichts wiesen in der Verhandlung jedoch darauf hin, dass sie diese Alternative für abwegig halten würden und der Berufung keine Erfolgschancen einräumen könnten. Nach diesen Erläuterungen nahm die Versicherung die Berufung zurück.

Erläuterungen

Zur Rechtslage:

Bei Abschluss einer Vollkas­ko­ver­si­cherung wird regelmäßig auch die Geltung der Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen vereinbart. Und in denen beschränken die Versicherer ihre Einstands­pflicht im wesentlichen auf von außen auf das Fahrzeug einwirkende Ereignisse. Mit anderen Worten: die Vollkas­ko­ver­si­cherung deckt nicht verschleiß- oder altersbedingte Schäden ab – ebenso wenig wie Schäden durch falsche Bedienung des Fahrzeuges (z. B. falsches Schalten). Umstritten ist die Beurteilung von Unfällen mit Schlaglöchern. Faustregel hierbei: je besser der Zustand der Straße insgesamt, desto mehr spricht gegen einen Betriebsschaden und für die Zahlungspflicht der Versicherung.

Die üblicherweise vereinbarte, maßgebliche Klausel lautet:

§ 12 AKB (Allgemeine Bedingungen in der Kraft­fahrt­ver­si­cherung):

(1) Die Fahrzeug­ver­si­cherung umfasst die Beschädigung, die Zerstörung und den Verlust des Fahrzeuges und seiner unter Verschluss verwahrten oder an ihm befestigten Teile (...)

I. in der Teilver­si­cherung

a) durch Brand oder Explosion;

b) durch Entwendung (...);

c) durch (...) Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung (...);

d) durch Zusammenstoß (...) mit Haarwild (...);

II. in der Vollver­si­cherung darüber hinaus

e) durch Unfall, d. h. durch ein unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis; Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden;

f) durch mut- oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen.

...

Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg vom 17.04.2001

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