07.11.2024
07.11.2024  
Sie sehen eine Figur, die einen Mann darstellt, der mit einem Fernglas in der Hecke sitzt.

Dokument-Nr. 1420

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Landgericht Coburg Urteil

Zur Frage, in welchem Umfang auf das Nachba­r­grundstück überhängende Zweige beseitigt werden müssen

Das Amtsgericht Lichtenfels und das Landgericht Coburg hatten in Sachen Fichte zu richten und sich mit der Frage zu befassen, inwieweit auf das Nachba­r­grundstück überhängende Äste und Zweige eines mehr als fünfzigjährigen Baumes zu entfernen sind. Ergebnis der Prüfung: die benadelten Baumausläufer muss der Baumeigentümer bis zu einer Höhe von fünf Metern beseitigen - mehr jedoch nicht.

Nach etwa 50 Jahren focht der Nachbarin Fichte die Klägerin an – vor allem die auf ihr Grundstück überhängenden Äste und Zweige des nahe an der Grenze stehenden stattlichen Baumes. Sie meinte, wegen der herabfallenden Nadeln seien der Trockenplatz und das Gemüsebeet kaum nutzbar. Ein Teil der Zweige peitsche ihr aufs Hausdach, Fichtenzapfen würden geschossgleich zu Boden stürzen. Die Beklagte hingegen meinte, der Baum stehe doch schon seit Jahrzehnten dort. Die Nadeln könnten auch von anderen Fichten stammen – also „windverfrachtet“ sein. Und schließlich sei die Klägerin selbst schuld, wenn sie das Grundstück ausgerechnet im fraglichen Bereich wie beschrieben nutze. Die Klägerin verlangte Entfernung sämtlicher über die Grenze ragenden Äste/Zweige.

Das Amtsgericht Lichtenfels nahm einen Augenschein ein und befand dann salomonisch, eine Entastung sei nur bis zu fünf Metern Höhe vorzunehmen. Grundsätzlich dürfe die Klägerin ihr Grundstück nutzen, wie sie das für richtig halte. Die Nutzung ihres Grund und Bodens werde auch beeinträchtigt. Der Einwand, die unter dem Baum liegenden Nadeln seien herbeigeweht worden, könne aufgrund naturgegebener Gesetz­mä­ßig­keiten ohne weiteres ausgeschlossen werden. Andererseits sei aber davon auszugehen, dass eine einseitig ihrer Äste beraubte Fichte auf Dauer nicht überleben werde. Die Klägerin könne aber nach mehr als 50 Jahren eine komplette Baumbeseitigung nicht verlangen – der entsprechende Anspruch sei verjährt. Daher müsse sie Äste und Zweige ab fünf Metern dulden.

Das von der damit nicht einverstandenen Klägerin angerufene Landgericht Coburg erklärte eine Berufung für unzulässig. Der Klagewert sei auf 1.000,- DM zu bemessen – das entspreche der geltend gemachten Beein­träch­tigung. Die Berufungssumme war damit nicht erreicht, die Entscheidung des Amtsgerichts rechtskräftig.

Erläuterungen
Zur Rechtslage:

Die gesetzliche Grundlage für den im geschilderten Fall geltend gemachten Anspruch ergibt sich aus folgenden Vorschriften:

§ 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) [Beseitigungs- und Unter­las­sungs­an­spruch]

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer sie Beseitigung der Beein­träch­tigung verlangen. (...)

§ 903 BGB [Befugnisse des Eigentümers]

Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.

§ 905 BGB [Begrenzung des Eigentums]

Das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat.

§ 910 BGB [Überhang]

(1) Der Eigentümer kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachba­r­grundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachba­r­grund­s­tückes eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

Quelle: LG Coburg, ra-online (pm/pt)

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