15.11.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 1417

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Landgericht Coburg Urteil

Zu den Folgen unvollständiger Angaben über Vorerkrankungen gegenüber der privaten Berufs­un­fä­hig­keits­zu­satz­ver­si­cherung

(Ver)Schweigen ist nicht immer Gold. Es gibt Fälle, in denen der besser fährt, der vollständige Angaben macht. Zum Beispiel gegenüber dem Versi­che­rungs­un­ter­nehmen, bei dem er sich gegen Berufs­un­fä­higkeit versichern will. Sonst darf die Versicherung nämlich später Leistungen verweigern – auch, wenn sie gar nicht ausdrücklich nach Vorerkrankungen, sondern nur nach der derzeitigen Arbeits­fä­higkeit gefragt hatte.

Diese bittere Erfahrung musste jetzt eine Selbständige machen, die frühere Behandlungen wegen einer Brust­kre­bs­er­krankung nicht angegeben hatte. Als sich nach Abschluss des Versi­che­rungs­ver­trages wieder ein Karzinom bildete und sie deshalb Leistungen wegen jetzt eingetretener Berufs­un­fä­higkeit forderte, erfuhr der Versicherer von der früheren Krankheit und trat vom Vertrag zurück. Worin ihn das Landgericht Coburg nun rechtskräftig bestätigte.

Die klagende Versi­che­rungs­nehmerin hatte Ende 1996 eine sogenannte Berufs­un­fä­hig­keits­zu­satz­ver­si­cherung bei der beklagten Versicherung abgeschlossen. In einer beigefügten Schlus­s­er­klärung bestätigte sie dabei, dass sie „zur Zeit voll arbeitsfähig“ sei. Damit begnügte sich die Versicherung und verzichtete auf weitere „Gesund­heits­fragen“. Die Klägerin war aber bereits Ende der 80er Jahre an Krebs erkrankt und zuletzt 1995 deswegen operiert und Anfang 1996 bestrahlt worden. Sie vertrat die Ansicht, sie habe nicht gegen Mitteilungs- oder Anzei­ge­pflichten verstoßen, denn schließlich sei sie nicht nach Vorerkrankungen befragt worden. Außerdem sei die Behandlung bei Vertragsschluss abgeschlossen und sie arbeitsfähig gewesen. Die Beklagte hingegen meinte, sie habe sich vom Vertrag lösen dürfen.

Das sah das Landgericht genauso. Es führte aus, die Klägerin habe gegen ihre Anzeigepflicht verstoßen. Von sich aus müsse der Versi­che­rungs­nehmer nämlich alle Umstände offenbaren, die „gefahrerheblich“ seien. Das treffe immer dann zu, wenn der Versicherer den Vertrag bei Kenntnis überhaupt nicht oder jedenfalls mit anderem Inhalt (z. B. höheren Beiträgen) abgeschlossen hätte. Und bei einer über einen längeren Zeitraum hinweg mehrfach ärztlich behandelten Krebserkrankung liege eine derartige Gefah­rer­heb­lichkeit auf der Hand. Der Klägerin habe sich förmlich aufdrängen müssen, dass sie einen ganz entscheidenden Umstand für die Risiko­be­ur­teilung durch die Versicherung für sich behielt.

Der Versi­che­rungs­vertrag ist daher rückwirkend aufgelöst, die Klägerin ohne entsprechenden Versi­che­rungs­schutz.

Erläuterungen
Zur Rechtslage:

Die entsprechende Anzeigepflicht desjenigen, der einen Versi­che­rungs­vertrag beantragt, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 16 des Gesetzes über den Versi­che­rungs­vertrag). Die für alle Versi­che­rungsarten geltende Vorschrift dient dem Schutz der Versicherung davor, dass sie Versi­che­rungs­schutz gewährt, ohne über alle maßgeblichen Tatsachen informiert zu sein.

Die Vorschrift lautet:

§ 16 VVG [Anzeigepflicht des Versi­che­rungs­nehmers]:

(1) Der Versi­che­rungs­nehmer hat bei der Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich.

(2) Ist dieser Vorschrift zuwider die Anzeige eines erheblichen Umstande unterblieben, so kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten. Das gleiche gilt, wenn die Anzeige eines erheblichen Umstandes deshalb unterblieben ist, weil sich der Versi­che­rungs­nehmer der Kenntnis des Umstandes arglistig entzogen hat.

(3) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Umstand kannte oder die Anzeige ohne Verschulden des Versi­che­rungs­nehmers unterblieben ist.

Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg vom 30.10.2000

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