Dokument-Nr. 1417
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Landgericht Coburg Urteil
Zu den Folgen unvollständiger Angaben über Vorerkrankungen gegenüber der privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
(Ver)Schweigen ist nicht immer Gold. Es gibt Fälle, in denen der besser fährt, der vollständige Angaben macht. Zum Beispiel gegenüber dem Versicherungsunternehmen, bei dem er sich gegen Berufsunfähigkeit versichern will. Sonst darf die Versicherung nämlich später Leistungen verweigern – auch, wenn sie gar nicht ausdrücklich nach Vorerkrankungen, sondern nur nach der derzeitigen Arbeitsfähigkeit gefragt hatte.
Diese bittere Erfahrung musste jetzt eine Selbständige machen, die frühere Behandlungen wegen einer Brustkrebserkrankung nicht angegeben hatte. Als sich nach Abschluss des Versicherungsvertrages wieder ein Karzinom bildete und sie deshalb Leistungen wegen jetzt eingetretener Berufsunfähigkeit forderte, erfuhr der Versicherer von der früheren Krankheit und trat vom Vertrag zurück. Worin ihn das Landgericht Coburg nun rechtskräftig bestätigte.
Die klagende Versicherungsnehmerin hatte Ende 1996 eine sogenannte Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bei der beklagten Versicherung abgeschlossen. In einer beigefügten Schlusserklärung bestätigte sie dabei, dass sie „zur Zeit voll arbeitsfähig“ sei. Damit begnügte sich die Versicherung und verzichtete auf weitere „Gesundheitsfragen“. Die Klägerin war aber bereits Ende der 80er Jahre an Krebs erkrankt und zuletzt 1995 deswegen operiert und Anfang 1996 bestrahlt worden. Sie vertrat die Ansicht, sie habe nicht gegen Mitteilungs- oder Anzeigepflichten verstoßen, denn schließlich sei sie nicht nach Vorerkrankungen befragt worden. Außerdem sei die Behandlung bei Vertragsschluss abgeschlossen und sie arbeitsfähig gewesen. Die Beklagte hingegen meinte, sie habe sich vom Vertrag lösen dürfen.
Das sah das Landgericht genauso. Es führte aus, die Klägerin habe gegen ihre Anzeigepflicht verstoßen. Von sich aus müsse der Versicherungsnehmer nämlich alle Umstände offenbaren, die „gefahrerheblich“ seien. Das treffe immer dann zu, wenn der Versicherer den Vertrag bei Kenntnis überhaupt nicht oder jedenfalls mit anderem Inhalt (z. B. höheren Beiträgen) abgeschlossen hätte. Und bei einer über einen längeren Zeitraum hinweg mehrfach ärztlich behandelten Krebserkrankung liege eine derartige Gefahrerheblichkeit auf der Hand. Der Klägerin habe sich förmlich aufdrängen müssen, dass sie einen ganz entscheidenden Umstand für die Risikobeurteilung durch die Versicherung für sich behielt.
Der Versicherungsvertrag ist daher rückwirkend aufgelöst, die Klägerin ohne entsprechenden Versicherungsschutz.
Erläuterungen
Zur Rechtslage:Die entsprechende Anzeigepflicht desjenigen, der einen Versicherungsvertrag beantragt, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 16 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag). Die für alle Versicherungsarten geltende Vorschrift dient dem Schutz der Versicherung davor, dass sie Versicherungsschutz gewährt, ohne über alle maßgeblichen Tatsachen informiert zu sein.
Die Vorschrift lautet:
§ 16 VVG [Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers]:
(1) Der Versicherungsnehmer hat bei der Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Erheblich sind die Gefahrumstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, einen Einfluss auszuüben. Ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich.
(2) Ist dieser Vorschrift zuwider die Anzeige eines erheblichen Umstande unterblieben, so kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten. Das gleiche gilt, wenn die Anzeige eines erheblichen Umstandes deshalb unterblieben ist, weil sich der Versicherungsnehmer der Kenntnis des Umstandes arglistig entzogen hat.
(3) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Versicherer den nicht angezeigten Umstand kannte oder die Anzeige ohne Verschulden des Versicherungsnehmers unterblieben ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.10.2000
Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg vom 30.10.2000
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