Im vorliegenden Fall wollte eine Internatsschule über 8.000,- € restliches Schulgeld von der Mutter einer elfjährigen Schülerin einklagen. Die Mutter hatte den Vertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt und wollte kein weiteres Schulgeld mehr zahlen.
Zur Begründung gab die beklagte Mutter an, dass die Zimmergenossin ihrer Tochter mit weiteren Mitschülerinnen heimlich geraucht habe. Weiterhin hatte die Mutter einen von der Elfjährigen geschriebenen Zettel mit angeblichen Intimitäten zwischen Schülern und Schülerinnen gefunden. Die Mutter meinte, ihre Tochter sei durch den Internatsaufenthalt erheblich geschädigt worden.
Zuvor habe die Tochter noch geglaubt, die Kinder würden vom Storch gebracht. Sie sei bei den Wochenendbesuchen körperlich und geistig total ausgelaugt gewesen. Die Schulleitung verletze nach Auffassung der Mutter ihre Fürsorge- und Aufsichtspflicht, weil die Tochter mit Vorgängen konfrontiert worden sei, die schädlich für deren Entwicklung seien.
Die Schule gab an, dass die heimlich rauchende Mitschülerin einen Verweis und Arbeitsstunden erhalten habe. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Erziehungs- und Schulvertrages liege nicht vor.
Das Landgericht Coburg hat entschieden, dass die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nicht vorlagen. Das Rauchen könne zur außerordentlichen Kündigung nicht berechtigen, weil das Kind einvernehmlich in ein anderes Zimmer verlegt worden sei, wo ein Problem mit Rauchen nicht mehr auftrat. Zudem war über ein halbes Jahr zwischen dem Aufdecken des Zigarettenkonsums bei der Mitschülerin und der außerordentlichen Kündigung verstrichen.
Hinsichtlich der Konfrontation der Elfjährigen mit sexualbezogenen Themen stellte das Gericht fest, dass es erforderlich ist, ein Kind nach und nach auf die Realität vorzubereiten. Damit kann das Kind den Einflüssen standhalten, denen es früher oder später ohnehin ausgesetzt ist. Nach den Feststellungen des Gerichts kam es zu Gesprächen älterer Schülerinnen im Beisein der Tochter der Beklagten über Beziehungen zwischen anderen Schülerinnen und Schülern. Der Ablauf und der genaue Inhalt dieser Gespräche blieben für das Gericht ebenso unklar wie deren Wahrheitsgehalt. Soweit die beklagte Mutter eine Schädigung ihrer Tochter behauptete, konnte das Gericht hier keinen Zusammenhang mit den Sexualthemen sehen. Zwar erkannte das Gericht die Sorge der Mutter um das Wohl ihres Kindes an.
Das Landgericht hielt es jedoch für vorhersehbar, dass die elfjährige Tochter im Internat mit dem Thema Sexualität konfrontiert werden würde. Vor dem Hintergrund des Konzepts des Internats, nach dem Kinder verschiedener Altersklassen gemeinsam untergebracht werden, war es für das Gericht unrealistisch, dass sich die Tochter im Internat ihren Glauben an den Klapperstorch bewahren würde. Das Gericht meinte, dass sowohl die Mutter als auch die Schule das Gespräch mit der Elfjährigen hätten suchen können, um diese kindgerecht und aufklärend an das Thema Sexualität heranzuführen. Einen sofortigen Schulwechsel hielt das Gericht für nicht geboten, so dass die Mutter das bis zum vertraglich vorgesehenen Kündigungstermin anfallende Schulgeld bezahlen muss.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.10.2010
Quelle: Landgericht Coburg/ ra-online