15.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Landgericht Coburg Urteil06.07.2010

Klapperstorch-Urteil: Eltern einer elfjährigen Inter­nat­s­chülerin können Inter­nats­vertrag mit Privatschule nicht außerordentlich wegen Konfrontation mit Sexualthemen kündigenInternat zerstörte den Glauben einer Elfjährigen an den Storchen, der die Kinder bringt

Eltern können nicht außerordentlich den Vertrag mit einem Internat kündigen, nur weil ihre Tochter mit Rauchen und sexualbezogenen Themen in Kontakt gekommen ist. Dies geht aus einem Urteil des Landgerichts Coburg hervor.

Im vorliegenden Fall wollte eine Internatsschule über 8.000,- € restliches Schulgeld von der Mutter einer elfjährigen Schülerin einklagen. Die Mutter hatte den Vertrag mit sofortiger Wirkung gekündigt und wollte kein weiteres Schulgeld mehr zahlen.

Heimlich geraucht

Zur Begründung gab die beklagte Mutter an, dass die Zimmergenossin ihrer Tochter mit weiteren Mitschülerinnen heimlich geraucht habe. Weiterhin hatte die Mutter einen von der Elfjährigen geschriebenen Zettel mit angeblichen Intimitäten zwischen Schülern und Schülerinnen gefunden. Die Mutter meinte, ihre Tochter sei durch den Inter­nats­auf­enthalt erheblich geschädigt worden.

11-jährige Tochter glaubte bisher, dass Kinder vom Storch gebracht werden

Zuvor habe die Tochter noch geglaubt, die Kinder würden vom Storch gebracht. Sie sei bei den Woche­n­end­be­suchen körperlich und geistig total ausgelaugt gewesen. Die Schulleitung verletze nach Auffassung der Mutter ihre Fürsorge- und Aufsichts­pflicht, weil die Tochter mit Vorgängen konfrontiert worden sei, die schädlich für deren Entwicklung seien.

Schule sieht keinen wichtigen Grund für eine außer­or­dentliche Kündigung des Erziehungs- und Schulvertrages

Die Schule gab an, dass die heimlich rauchende Mitschülerin einen Verweis und Arbeitsstunden erhalten habe. Ein wichtiger Grund für die außer­or­dentliche Kündigung des Erziehungs- und Schulvertrages liege nicht vor.

Richter: Keine außer­or­dentliche Kündigung wegen Rauchens

Das Landgericht Coburg hat entschieden, dass die Voraussetzungen für eine außer­or­dentliche Kündigung aus wichtigem Grund nicht vorlagen. Das Rauchen könne zur außer­or­dent­lichen Kündigung nicht berechtigen, weil das Kind einvernehmlich in ein anderes Zimmer verlegt worden sei, wo ein Problem mit Rauchen nicht mehr auftrat. Zudem war über ein halbes Jahr zwischen dem Aufdecken des Zigaret­ten­konsums bei der Mitschülerin und der außer­or­dent­lichen Kündigung verstrichen.

Richter: Kinder müssen auf die Realität vorbereitet werden

Hinsichtlich der Konfrontation der Elfjährigen mit sexualbezogenen Themen stellte das Gericht fest, dass es erforderlich ist, ein Kind nach und nach auf die Realität vorzubereiten. Damit kann das Kind den Einflüssen standhalten, denen es früher oder später ohnehin ausgesetzt ist. Nach den Feststellungen des Gerichts kam es zu Gesprächen älterer Schülerinnen im Beisein der Tochter der Beklagten über Beziehungen zwischen anderen Schülerinnen und Schülern. Der Ablauf und der genaue Inhalt dieser Gespräche blieben für das Gericht ebenso unklar wie deren Wahrheitsgehalt. Soweit die beklagte Mutter eine Schädigung ihrer Tochter behauptete, konnte das Gericht hier keinen Zusammenhang mit den Sexualthemen sehen. Zwar erkannte das Gericht die Sorge der Mutter um das Wohl ihres Kindes an.

Richter: Es ist nicht realistisch, dass eine Elfjährige im Internet den Glauben an den Klapperstorch bewahren kann

Das Landgericht hielt es jedoch für vorhersehbar, dass die elfjährige Tochter im Internat mit dem Thema Sexualität konfrontiert werden würde. Vor dem Hintergrund des Konzepts des Internats, nach dem Kinder verschiedener Altersklassen gemeinsam untergebracht werden, war es für das Gericht unrealistisch, dass sich die Tochter im Internat ihren Glauben an den Klapperstorch bewahren würde. Das Gericht meinte, dass sowohl die Mutter als auch die Schule das Gespräch mit der Elfjährigen hätten suchen können, um diese kindgerecht und aufklärend an das Thema Sexualität heranzuführen. Einen sofortigen Schulwechsel hielt das Gericht für nicht geboten, so dass die Mutter das bis zum vertraglich vorgesehenen Kündi­gungs­termin anfallende Schulgeld bezahlen muss.

Quelle: Landgericht Coburg/ ra-online

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