15.11.2024
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Sie sehen eine rote Rose, welche in einer Pfütze liegt.

Dokument-Nr. 1113

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EntscheidungLandgericht Coburg13 O 231/01
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Landgericht Coburg Entscheidung

Zur Möglichkeit des Erblassers, den Pflichtteil eines Erben de facto zu beschränken – und zur Möglichkeit des Erben, sich dagegen zu wehren

Wer im Testament als Erbe eingesetzt ist, sollte sich nicht zu früh freuen – sondern erst einmal nachrechnen. Hat nämlich der Erblasser ein Vermächtnis zu Gunsten eines Dritten angeordnet, kann unter Umständen die Ausschlagung der Erbschaft äußerst lukrativ sein. Das zeigt ein vom Landgericht Coburg entschiedener Fall.

Dort stand eine Erbin unter dem Strich mit deutlich weniger Erbe da, als ihr „Pflichtteil“ (also die Hälfte des gesetzlichen Erbteiles) gewesen wäre. Hätte sie das Erbe rechtzeitig ausgeschlagen, hätte sie den Pflichtteil bekommen.

Sachverhalt:

Zwei Töchter beerbten ihre Mutter aufgrund Testamentes je zur Hälfte. Allerdings hatte die Mutter der einen Tochter – der späteren Klägerin – im Wege eines „Voraus­ver­mächt­nisses“ ein Hausanwesen hinterlassen. Die Hälfte, die der anderen Tochter (der Beklagten) zustand, berechnete sich also aus der Erbmasse abzüglich Grundstück mit Haus. Und da das Anwesen den Löwenanteil des Erbes ausmachte, blieb der Beklagten wertmäßig weniger als ihr Pflichtteil – der hier ein Viertel des Nachlasses ausmachte. Deshalb verweigerte sie die Zustimmung zur Eintragung ihrer Schwester als alleinige Eigentümerin. Es würde Sinn und Zweck des Gesetzes zuwider laufen, wenn das gesetzliche Pflicht­teilsrecht auf diese Weise ausgehöhlt würde, begründete sie ihre Haltung. Die Schwester klagte.

Gericht­s­ent­scheidung:

Mit Erfolg. Das Landgericht Coburg wies in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass die Beklagte die Zustimmung unter keinem rechtlichen Aspekt verweigern könne. Die Gesetzeslage sei eindeutig: die Beklagte sei zu einem höheren Prozentsatz (50 %) Erbin geworden, als ihr Pflichtteil (25 %) betrage. Um zu verhindern, dass sie tatsächlich weniger bekomme als ein Viertel des wirklichen Wertes der Erbmasse, habe der Gesetzgeber ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben, binnen sechs Wochen das Erbe auszuschlagen. Dann hätte sie den vollen Pflichtteil (also 25 % des Wertes der Erbmasse) geerbt. An der Ausschlagung fehlte es jedoch. Nach diesem eindeutigen Hinweis erkannte die Beklagte die Forderung ihrer Schwester an und bewilligte deren Eintragung als alleinige Eigentümerin ins Grundbuch. Es erging Anerkennt­ni­s­urteil.

Fazit:

Erbe zu ein Halb ist nicht gleich Erbe zu ein Halb.

Zur Rechtslage:

Um zu verhindern, dass bestimmte Gruppen von Verwandten komplett enterbt werden, gibt es das sog. Pflicht­teilsrecht. Dieses steht allen Abkömmlingen (also allen in gerader absteigender Linie Verwandten: Kinder, Enkel, Urenkel usw.) sowie den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu. Wird einer dieser Berechtigten durch Testament enterbt, so erhält er als Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Die Testierfreiheit des Erblassers ist insoweit also eingeschränkt. Er kann allerdings z. B. mittels eines Voraus­ver­mächt­nisses die Erbmasse beschneiden. Dann lohnt sich für pflicht­teils­be­rechtigte Erben der Griff zum Taschenrechner – wie der geschilderte Fall zeigt.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Erläuterungen
§ 2303 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) [Pflicht­teils­be­rechtigte; Höhe des Pflichtteils]:

(1) Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

(2) Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erfolge ausgeschlossen sind. (...)

§ 2306 BGB [Beschränkungen und Beschwerungen]:

(1) Ist ein als Erbe berufener Pflicht­teils­be­rech­tigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testa­ments­voll­streckers oder eine Teilungs­a­n­ordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so gilt die Beschränkung oder die Beschwerung als nicht angeordnet, wenn der ihm hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt. Ist der hinterlassene Erbteil größer, so kann der Pflicht­teils­be­rechtigte den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschla­gungsfrist beginnt erst, wenn der Pflicht­teils­be­rechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.

(2) ...

Quelle: Pressemitteilung Nr. 82 des LG Coburg vom 01.08.2001

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