18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Landgericht Coburg Urteil22.06.2005

Zur Höhe des Schmer­zens­geldes eines lebens­ge­fährlich verletzten Verkehr­s­un­fa­l­l­opfers

Ein unbeschwertes, dynamisches, erfülltes und überaus erfolgreiches Leben. Es endet bei einem tragischen Verkehrsunfall. Das Opfer überlebt die schwersten Verletzungen wie durch ein Wunder. Das Leben danach ist geprägt von Schmerzen, Ängsten, Depressionen, Einschränkungen im persönlichen und beruflichen Umfeld. Wie hoch muss das Schmerzensgeld sein, um dieses Schicksal angemessen zu würdigen?

Diese Frage hatten vor kurzem das Landgericht Coburg und das Oberlan­des­gericht Coburg zu beantworten. Ein lebens­ge­fährlich verletzter Motorradfahrer, der schuldlos in einen Unfall verstrickt wurde, hatte die gegnerische Haftpflicht­ver­si­cherung auf Zahlung von 500.000 € Schmerzensgeld verklagt. Nach Abwägung aller Umstände hielten die Richter einen Betrag von 200.000 € für gerechtfertigt.

Der junge, sportliche Chirurg war gerade dabei, die letzte Stufe der Karriereleiter zu erklimmen: Den Posten eines Chefarztes. Der Traum platzte im Sommer des Jahres 1998. Auf dem Heimweg von der Arbeit stieß der Arzt mit seinem Motorrad gegen einen aus einer Parklücke fahrenden Pkw. Der Kradfahrer hatte keine Chance mehr zu reagieren und stürzte. Die Folgen waren fatal: Die Leber und die Gallenblase des Mediziners rissen nahezu entzwei. Nur glücklichen Umständen war es zu verdanken, dass die Verletzungen nicht tödlich endeten. Zufällig kamen ein Arztkollege und ein nicht besetzter Notarztwagen am Unfallort vorbei. Nach sofortiger Erstversorgung konnte im Krankenhaus sofort eine Notoperation eingeleitet werden, weil für die Massen­trans­fusion benötigte 100 Blutkonserven glück­li­cherweise vorhanden waren. Die Zeit danach war für den Verletzten der reinste Albtraum: Weitere Operationen, unerträgliche Schmerzen, Todesängste, Depressionen. Und das Allerschlimmste: Seinen Traumberuf als Mediziner konnte er nur noch sehr eingeschränkt ausüben. Für diese Tortur verlangte der Arzt von dem Haftpflicht­ver­si­cherer des Unfallgegners ein Schmerzensgeld von 1/2 Mio. €. Das sei weit überhöht, wehrte sich die Versicherung. 50.000 € seien genug; ein derartiger Betrag würde in vergleichbaren Fällen gezahlt werden.

Das Landgericht Coburg und das Oberlan­des­gericht Bamberg gaben der Klage des Unfallopfers teilweise statt. Schmerzensgeld diene einerseits dazu, erlittene Schmerzen und Leiden auszugleichen. Andererseits solle es dem Verletzten Genugtuung für das verschaffen, was ihm der Unfall­ve­r­ur­sacher angetan habe. Bei der Bemessung sei zu berücksichtigen, was in vergleichbaren Fällen mit vergleichbaren Verletzungen für angemessen gehalten worden sei. Entscheidend seien aber stets die Umstände des Einzelfalles. Der junge Arzt habe gleich mehrere für sich allein lebens­ge­fährliche innere Verletzungen erlitten. Deren Folgen würden ihn sein Leben lang belasten. Vergleichbare Entscheidungen anderer Gerichte gebe es nicht. Das tragische Schicksal des Chirurgen rechtfertigte eine außer­ge­wöhnliche Schmer­zens­geld­ab­findung. Diese mit 50.000 € zu bemessen, sei zu niedrig, mit 500.000 € zu hoch. Angemessen seien 200.000 €.

Erläuterungen
Urteil des Landgerichts Coburg vom 22.06.2005, Az: 12 O 901/04;

Beschlüsse des Oberlan­des­ge­richts Bamberg vom 10.10.2005 und vom 16.11.2005, Az: 5 U 218/05; rechtskräftig

Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg vom 09.12.2005

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