15.11.2024
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Dokument-Nr. 2151

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Landgericht Braunschweig Urteil29.03.2006

Erfolgreicher Unter­las­sungs­antrag eines Bürgermeisters gegen ein Mitglied einer Bürge­r­i­n­i­tiativeKeine Äußerungen zur Privatisierung der Stadt­ent­wäs­serung

Das Landgericht Braunschweig hat im einstweiligen Rechtsschutz dem Unter­las­sungs­antrag des Oberbür­ger­meisters gegen ein Mitglied der Bürge­r­i­n­i­tiative für den Erhalt öffentlichen Eigentums stattgegeben.

Der Beklagte darf die Behauptung in seiner Presseerklärung vom 9. Februar 2006, noch nicht einmal der erste Verkauf der Stadt­ent­wäs­serung Braunschweig GmbH samt damit verbundener Kreditverträge sei nicht genehmigt, in dieser Form nicht wiederholen. Der entsprechende Antrag der Stadt Braunschweig wurde dagegen zurückgewiesen.

Für ein schuldhaftes Zuwiderhandeln droht dem Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten. Die Gerichtskosten und die außer­ge­richt­lichen Kosten des Beklagten müssen die Stadt Braunschweig und der Beklagte je zur Hälfte tragen. Die außer­ge­richt­lichen Kosten des Oberbür­ger­meisters hat der Beklagte zu tragen. Der Streitwert wurde auf 25.000 EUR festgesetzt.

Hintergrund:

Die Stadt Braunschweig betreibt die Privatisierung der Stadt­ent­wäs­serung. Dazu wurde eine städtische Eigen­ge­sell­schaft gegründet. In einem Verga­be­ver­fahren zur Veräußerung von deren Geschäfts­an­teilen erhielt die Veolia Wasser GmbH den Zuschlag. Dabei waren verschiedene Genehmigungen erforderlich. Welche genau und ob diese vorliegen, ist zwischen den Parteien streitig.

Die angegriffenen Äußerungen erfolgten in einer Presseerklärung des Beklagten vom 09. Februar 2006. Eine Abmahnung der Stadt Braunschweig und des Oberbür­ger­meisters vom 17. Februar 2006 blieb erfolglos.

Der Beklagte hatte in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2006 eine präzisierende Erklärung abgegeben, ohne sich allerdings zu verpflichten, gerade die angegriffene Äußerung nicht zu wiederholen.

Die 9. Zivilkammer gab dem Antrag des Oberbür­ger­meister statt. Die Behauptung ist eine unwahre Tatsa­chen­be­hauptung (und nicht lediglich eine Meinung­s­äu­ßerung), die nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt sei.

Unwahr ist die Tatsa­chen­be­hauptung, weil die Stadt Braunschweig ein Geneh­mi­gungs­schreiben des Nieder­säch­sischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 22. Dez. 2005 sowie eine ergänzende Stellungnahme des Ministeriums vom 06.03.2006 vorgelegt hatte, nach welcher alle für die Veräußerung erforderlichen Genehmigungen vorliegen.

Dies gilt zunächst für den Verkauf der Geschäfts­anteile der Eigen­ge­sell­schaft. Genehmigt sind aber auch die mit den Kreditverträgen zusam­men­hän­genden Einre­de­ver­zichts­er­klä­rungen, soweit sie schon jetzt erforderlich sind. Die Veräußerung des Nutzungsrechts ist nach Mitteilung des Ministeriums nicht geneh­mi­gungs­be­dürftig.

Da diese Behörde über die Genehmigung und damit auch die Geneh­mi­gungs­be­dürf­tigkeit zu entscheiden hat, ist die abweichende Rechts­auf­fassung des Beklagten, es lägen nicht alle Genehmigungen vor, ohne Bedeutung.

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2006 auf die fehlende Genehmigung der Vereinnahmung in den städtischen Haushalt hinwies, entlastete ihn dies nicht. Seine angegriffene Behauptung bezog sich eindeutig auf die Genehmigung des Verkaufs und nicht die Frage, wie die Einnahmen im Haushalt zu verbuchen sind.

Auch sein Einwand zur Erfor­der­lichkeit einer jährlichen Genehmigung des Einre­de­ver­zichts griff nicht. Eine jährliche Genehmigung – so sie denn erforderlich sei – kann nicht im Vorfeld erfolgen. Die angegriffene Behauptung bezog sich aber auf das Fehlen einer aktuell erforderlichen Genehmigung.

Der Beklagte konnte sich nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen; denn die ihm zugänglichen Informationen mussten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Behauptung wecken, weshalb seine Äußerung unredlich ist:

Auch wenn der Beklagte den Wortlaut der Genehmigung Anfang Februar 2006 nicht kannte, so wusste er nach eigenen Angaben doch, dass es eine solche gab. Dies war auch in der Presseerklärung der Stadt Braunschweig Ende Dezember 2005 bekannt gegeben worden. Der Beklagte hat nicht vortragen können, dass er bei seinen Anrufen bei den Behörden die Auskunft erhalten habe, dass eine Genehmigung nicht erfolgt sei. Er hat vielmehr nach eigenen Worten bei seinen Recherchen herausgefunden, dass es sich um eine komplizierte Materie handele. Bereits deshalb verbieten sich aber derartige pauschale Äußerungen.

Im übrigen stellt auch eine redliche Datenermittlung den Beklagten nicht für die Zukunft frei. Wenn nämlich die zuständigen Stellen ausreichende Informationen zur Verfügung stellen (insbesondere das vollständige Geneh­mi­gungs­schreiben des Ministeriums), die gewichtige Zweifel an der Richtigkeit einer Behauptung aufkommen lassen, so besteht für die Zukunft kein schutzwürdiges Interesse, etwas Falsches, zu Pauschales zu behaupten.

Indem der Beklagte keine strafbewehrte Unter­las­sungs­er­klärung abgegeben hat, lag auch die für den Unter­las­sungs­an­spruch erforderliche Wieder­ho­lungs­gefahr vor. Dabei war auch von Bedeutung, dass der Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung weiterhin den Standpunkt vertrat, dass seine Äußerung wahr und er insgesamt im Recht sei.

Allerdings lehnte die Kammer einen Anspruch der Stadt Braunschweig ab, da sich die Presseerklärung speziell gegen den Oberbür­ger­meister richtete und nicht auf die Stadt als juristische Person "durchschlage". Auf ein allgemeines Persön­lich­keitsrecht könne sich die Stadt nicht berufen. An der Verwirklichung des Tatbestandes der üblen Nachrede fehle es.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG Braunschweig vom 31.03.2006

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