Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls machte gegenüber dem in Wolfsburg ansässigen Autobauunternehmen geltend, dass ihr Vater (der 1966 verstorbene Österreicher Erwin Franz Komenda), der ab 1931 bei Porsche gearbeitet hat, der Schöpfer des Ur-Käfers sei und sich sein Werk heute noch in dem VW-Beetle fortsetze. Ihr stehe daher wegen des großen Verkaufserfolges eine weitere Vergütung nach § 32 a Urhebergesetz (Fairnessausgleich) zu. Aus Verjährungsgründen beschränkte die Klägerin die Klage zuletzt auf die ab 2014 gebauten Fahrzeuge.
Die Beklagte stellte unter anderem die Urheber-/Miturheberschaft des Vaters in Abrede. Sie war der Ansicht, dass der Ur-Käfer keinen Urheberschutz genieße, da dessen Gestaltung technisch bedingt gewesen sei und auf bekannten Vorbildern aufbaue. Ferner sei die Vorschrift des § 32 a UrhG nicht auf Altverträge (d.h. vor Inkrafttreten des UrhG im Jahr 1966) anwendbar.
Das Landgericht Braunschweig bejahte die nach österreichischem Recht zu prüfende Erbenstellung und Berechtigung der Klägerin, urheberrechtliche Ansprüche geltend zu machen. Das Gericht nahm auch die grundsätzliche Anwendbarkeit des erst 2002 in das Gesetz aufgenommenen § 32 a UrhG auf Werke aus den 1930er Jahren an und stellte fest, dass diese Vorschrift auch für Angestellte gelte, die im Rahmen ihres Arbeitsvertrages Werke schaffen.
Für die Frage, ob überhaupt ein nach dem Urheberrecht schutzfähiges Werk vorliege, untersuchte das Gericht zwei Zeichnungen aus dem Jahre 1934, die nach Auffassung der Klägerin von ihrem Vater stammen. Unter Beachtung der damals maßgeblichen strengen Prüfungsmaßstäbe für angewandte Kunst verneinte das Landgericht die Urheberrechtsfähigkeit der Zeichnungen des Ur-Käfers als Werk der angewandten Kunst.
Dabei sei laut Gericht insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass es zur Zeit der Anfertigung der Zeichnungen bereits zahlreiche Entwürfe gegeben habe, die das Konzept des Fahrzeuges mit Heckmotor in stromlinienförmiger Karosse mit herabgezogener Fronthaube und dem in die herabgezogene Motorhaube übergehenden Heck vorweggenommen hätten (Tatra V570, Mercedes Typ 130). Zudem habe die Klägerin auch nicht nachweisen können, dass ihr Vater an dem Entwurf in dem früher von Ferdinand Porsche überreichten Exposé für einen Volkswagen (KdF-Wagen) beteiligt gewesen sei.
Das Landgericht prüfte zusätzlich, ob bei unterstellter Schutzfähigkeit der Zeichnungen und des Ur-Käfers der ab 2014 gebaute VW- Beetle eine Bearbeitung (§ 23 UrhG) oder eine freie Benutzung (§ 24 UrhG) dieser aus den 1930er Jahren stammenden Modelle darstellt. Wegen der erheblichen Unterschiede in dem Design verneinte das Gericht einen übereinstimmenden Gesamteindruck und ging von einer zulässigen freien Benutzung aus.
Der sogenannte Fairnessparagraf (§ 32 a UrhG) wurde im Jahr 2002 eingeführt und trat an die Stelle des Bestsellerparagrafen (§ 36 aF UrhG). Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass der Urheber im Falle einer unerwartet erfolgreichen Verwertung seines Werkes an dem wirtschaftlichen Erfolg in Form einer zusätzlichen Vergütung Teilhabe hat.
(1) Hat der Urheber einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht, so ist der andere auf Verlangen des Urhebers verpflichtet, in eine Änderung des Vertrages einzuwilligen, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird. Ob die Vertragspartner die Höhe der erzielten Erträge oder Vorteile vorhergesehen haben oder hätten vorhersehen können, ist unerheblich.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.06.2019
Quelle: Landgericht Braunschweig/ra-online (pm/kg)