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Landgericht Berlin Urteil07.07.2017

Kein Anspruch auf Schadensersatz nach Hubschrauber-Unglück vor dem Berliner OlympiastadionKeine Amtspflicht­ver­let­zungen des Piloten erkennbar

Eine Bundes­po­li­zei­beamtin hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 Euro, nach dem sie im Rahmen einer Großübung des Bundespolizei im Bereich des Berliner Olympiastadions durch den Absturz eines Hubschraubers schwer verletzt worden war. Dies hat das Landgericht Berlin nunmehr bekanntgegeben.

Im hier vorliegenden Fall veranstaltete die Bundespolizei am 21. März 2013 im Bereich des Berliner Olympiastadions eine Übung, bei der Einsatzkräfte in drei Hubschraubern auf das Maifeld des Stadions eingeflogen werden sollten. An jenem Vormittag herrschte winterliches Wetter und am vorgesehenen Landeort befand sich Schnee. Die Hubschrauber sollten nebeneinander landen.

Zusätzliche Einweiser aufgrund Schnee­ver­hältnisse

Aufgrund der Schnee­ver­hältnisse wurden auf Wunsch eines der drei Piloten, einem Bundes­po­li­zei­beamten einer Fliegerstaffel und späteren Beklagten zu 2), zusätzlich Einweiser im Bereich des vorgesehenen Landeplatzes eingesetzt. Die Klägerin war im Bundes­po­li­zei­prä­sidium, Abteilung Presse- und Öffent­lich­keits­arbeit, tätig und hatte an jenem Tag die Aufgabe, eine in einem der Hubschrauber mitfliegende Journalistin in Empfang zu nehmen. Daher befand sich die Klägerin unweit von dem Landeplatz.

Schwere Verletzung durch umherfliegende Metallteile

Nachdem der erste Hubschrauber gelandet war, wirbelte der zweite Hubschrauber bei seiner Landung Schnee auf und geriet in die dadurch erzeugte Schneewolke, die zugleich auch den bereits gelandeten ersten Hubschrauber umhüllte. Der Beklagte zu 2), der den dritten Hubschrauber lenkte, befand sich zu diesem Zeitpunkt im Anflug und beobachtete - wie sich aus den nachträglich abgehörten Cockpi­tauf­zeich­nungen ergab - die Schnee­auf­wir­be­lungen. 89 Sekunden vor dem Unfall sagte er zum Flugtechniker, dass der Schnee wieder weg sei. Während des Landeanflugs, bei dem sich die Flughöhe verringerte, entstand eine weitere Schneewolke, die den Einweiser und die gelandeten Hubschrauber vollständig einhüllte. Kurz danach bekam der Hubschrauber mit dem Bugrad und dem rechten Hauptfahrwerk Bodenkontakt, rollte um die Längsachse nach rechts und verschwand in der Schneewolke. Dort kam es zu einem Zusammenstoß mit dem ersten gelandeten Hubschrauber, dessen Pilot dadurch verstarb. Durch die umherfliegenden Metallteile wurden mehrere Personen teilweise schwer verletzt, darunter die Klägerin, bei der u.a. der linke Unterschenkel amputiert wurde.

Unfallhergang mehrfach begutachtet

Nachfolgend wurde der Unfallhergang in mehreren Gutachten untersucht, und zwar durch die Bundesstelle für Flugun­fa­ll­un­ter­suchung (BFU) und zweifach durch einen weiteren Sachver­ständigen. Dieser war von der Staats­an­walt­schaft Berlin beauftragt worden im Rahmen eines Ermitt­lungs­ver­fahrens gegen den Beklagten zu 2), das sie gegen ihn als Pilot des verunfallten Hubschraubers eingeleitet hatte.

Klägerin: Pilot habe aufgrund Drucksituation von Abbruch der Hubschrau­ber­landung absehen müssen

Die Klägerin hat Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und den Beklagten zu 2) vor dem Landgericht Berlin erhoben und verlangt u.a., dass die Beklagten an sie 75.000,00 € Schmerzensgeld zahlen. Sie macht geltend, der Beklagte zu 2) hätte die Möglichkeit gehabt, die Landung abzubrechen, habe jedoch davon aufgrund einer besonderen mentalen Drucksituation abgesehen. Er habe erkennen können und müssen, dass sich die Schneewolke weiter entfalten würde. Indem er dennoch zum Landeanflug angesetzt habe, habe er billigend in Kauf genommen, dass eine Situation entstehen könne, in der ein Durchstarten nicht mehr möglich wäre.

Klage erfolglos - Kein Anspruch gegen Pilot

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte zu 2) hafte bereits deshalb nicht, weil er den Hubschrauber in seiner Eigenschaft als Bundesbeamter gelenkt und damit hoheitlich gehandelt habe. Die Klägerin als Geschädigte könne ihn nicht direkt in Anspruch nehmen.

Schmerzensgeld nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des Unfalls oder im allgemeinen Verkehr

Aber auch die Bundesrepublik Deutschland sei nicht verpflichtet, ein Schmerzensgeld zu zahlen. Nach dem Beamten­ver­sor­gungs­gesetz käme dies nur in Betracht, wenn das Unfallereignis vorsätzlich herbeigeführt worden oder im allgemeinen Verkehr eingetreten wäre. Letzteres sei nicht der Fall, da es sich um einen Dienstunfall gehandelt habe. Die Klägerin habe im Rahmen ihres Dienstes an einer Einsatzübung teilgenommen.

Keine vorsätzliche Unfall­ve­r­ur­sachung durch Piloten

Der Beklagte zu 2) habe den Unfall auch nicht vorsätzlich verursacht. Dies könne nur angenommen werden, wenn der Pilot als Amtsträger sich bewusst über eine Amtspflicht hinweggesetzt hätte. Nach den Ausführungen des Sachver­ständigen habe sich dem Piloten nicht aufdrängen müssen, den Landeanflug nicht durchzuführen. Auch habe für ihn, nachdem er die Orientierung verloren habe, nicht mehr die Möglichkeit bestanden, den Landeanflug abzubrechen und durchzustarten. Aufgrund des untersuchten Videos, das den Unfall zeigte, und den Aufzeichnungen im Cockpit lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, dass ein früherer Abbruch des Landeanfluges Erfolg gehabt hätte.

Durchführung des Landeanfluges trotz vorhandener Schnee­ver­hältnisse begründen keine Amtspflicht­ver­letzung

Zudem sei der Beklagte zu 2) ein in Landungen im verschneiten Gebirge erfahrener Pilot, der sich auch mit so genannten „White Outs“, dem völligen Verlust des Raumgefühls, auskenne. Daher handele es sich nicht bereits dadurch um eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung, dass aufgrund der vorhandenen Schnee­ver­hältnisse der Landeanflug durchgeführt worden sei. Auch ein unzulässiger Druck sei nicht zu erkennen gewesen, da der Druck bei einer Leistungsschau nicht größer sein könne als bei einer Landung in einem unüber­sicht­lichen und unbekannten Gebirge.

Geringer Landeabstand dem Piloten nicht vorwerfbar

Schließlich könne dem Beklagten zu 2) auch nicht vorgeworfen werden, den Landeplatz mit zu geringem Abstand zu den anderen Hubschraubern ausgewählt zu haben. Dies sei aus polizeitak­tischen Gründen so festgelegt worden und der Beklagte zu 2) habe davon ausgehen dürfen, dass er im Rahmen der nicht offensichtlich fehlerhaften Vorgaben entsprechend handeln dürfe.

Quelle: Landgericht Berlin/ ra-online

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