Landgericht Aachen Urteil04.11.2004
Sozialhilfeempfänger darf Erbschaft ausschlagenAnnahme oder Ausschlagung der Erbschaft ist höchstpersönliches Recht des Erben
Ein Sozialhilfeempfänger muss eine Erbschaft nicht annehmen. Er darf sie auch ausschlagen. Das hat das Landgericht Aachen entschieden.
Im Fall hinterließ ein Erblasser drei Kinder und eine Ehefrau. Das eine Kind war eine vermögenslose Sozialhilfeempfängerin, die das Erbe form- und fristgerecht ausschlug. Daraufhin beantragten die zwei Geschwister und die Mutter allein die Ausstellung eines Erbscheins. Das Nachlassgericht (Amtsgericht Aachen) wies per Beschluss den Erbscheinsantrag zurück. Die Ausschlagung sei sittenwidrig und daher gemäß § 138 BGB nichtig.
Das Landgericht Aachen hat den Beschluss des Nachlassgerichts aufgehoben. Die Ausschlagung sei nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig. Auch ein Sozialhilfeempfänger habe das Recht, das Erbe auszuschlagen. Ein Verstoß gegen die guten Sitten sei ausgeschlossen, wenn ein Rechtsgeschäft mit den Maßstäben und Prinzipien der Rechtsordnung im Einklang stehe. Das sei hier der Fall. Die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft sei ein höchstpersönliches Recht des Erben. Er dürfe frei entscheiden, ob er die Erbschaft annehmen oder ausschlagen wolle. Es gebe keinen Zwang zur Annahme einer Erbschaft, damit Dritte darauf zugreifen könnten.
Hierfür spreche auch eine Regelung des Insolvenzrechts. Dort habe sich der Gesetzgeber in § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass auch im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung allein beim Schuldner verbleibe.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.09.2006
Quelle: ra-online
der Leitsatz
BGB §§ 138, 1942 ff; InsO § 83 Abs. 1
Auch ein Sozialhilfeempfänger hat das Recht, eine Erbschaft auszuschlagen.