Dokument-Nr. 712
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil13.07.2000
Krankenpflegehelfer wegen Ohrfeige fristlos entlassen
Eine Tätlichkeit (Ohrfeige) eines Krankenpflegehelfers gegenüber einem Bewohner eines psychiatrischen Krankenhauses stellt einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Eine derart schwere Verletzung im Vertrauensbereich braucht der Arbeitgeber vorher nicht abzumahnen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer bereits 58 Jahre alt ist und seit 32 Jahren beschäftigt wird. Dies hat das Landesarbeitsgericht entschieden.
Der 58-jährige Kläger war seit 1967 bei der Beklagten, die ein psychiatrisches Krankenhaus betreibt, als Krankenpflegehelfer beschäftigt. Er hatte schizophrene und schwachsinnige Patienten zu betreuen. Mitte September 1999 setzte sich der Bewohner A. zu Beginn des Mittagessens nicht an den richtigen Platz und kam der Aufforderung des Klägers, zu seinem Platz zu gehen, nicht gleich nach. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand für das Landesarbeitsgericht fest, dass der Kläger dem Bewohner A. im Beisein mehrerer Zeugen sodann von hinten eine klatschende Ohrfeige gegeben hatte. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.09.1999 fristlos. Das Arbeitsgericht Lübeck hatte der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Interessenabwägung - so das Arbeitsgericht - führe aufgrund des Alters und der langjährigen Beschäftigungszeit des Klägers dazu, dass nur eine ordentliche Kündigung in Frage käme. Diese sei aufgrund des tariflichen Kündigungsschutzes hier jedoch ausgeschlossen, sodass als nächst milderes Mittel nur eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden dürfen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 13.07.2000 die Klage abgewiesen.
In der Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass eine Tätlichkeit eines angestellten Krankenpflegehelfers gegenüber einem ihm anvertrauten Patienten ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 54 Abs. 1 BAT sei. Durch die erteilte Ohrfeige habe der Kläger gegen die elementare Grundpflicht eines Krankenpflegehelfers verstoßen, die körperliche Integrität der ihm in besonderer Weise ausgelieferten Patienten mit psychischen Erkrankungen zu beachten. Bei Verletzungen im Vertrauensbereich sei eine Abmahnung dann nicht erforderlich, wenn es sich um besonders schwerwiegende Verstöße handele, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar und bei denen offensichtlich ausgeschlossen sei, dass sie der Arbeitgeber hinnehme. Der Kläger habe durch sein Verhalten in schwerwiegender Weise das für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses eines Krankenpflegehelfers von psychisch kranken Patienten notwendige Vertrauen zerstört. Psychisch kranke Menschen bedürften besonderer Fürsorge und Zuwendung, da sie hilflos seien und sich gegen Übergriffe nicht wehren könnten. Erschwerend komme hinzu, dass sich der Kläger weder in einer besonderen Stresssituation befunden habe noch vom Bewohner A. provoziert worden sei. Die Interessenabwägung falle zu Gunsten der Beklagten aus, da sie im Interesse der Patienten ein tätliches Verhalten eines Krankenpflegehelfers nicht dulden könne. Zudem müsse die Beklagte aufgrund der in der Öffentlichkeit diskutierten Missstände psychiatrischer Einrichtungen mit einem Rückgang an Patienten rechnen, wenn bekannt würde, dass ein Krankenpflegehelfer, der einen Patienten geohrfeigt habe, weiterbeschäftigt werde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.08.2005
Quelle: ra-online, LAG Schleswig-Holstein (pm)
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