14.11.2024
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Dokument-Nr. 712

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Urteil13.07.2000Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein5 Sa 240/00
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil13.07.2000

Kranken­pfle­ge­helfer wegen Ohrfeige fristlos entlassen

Eine Tätlichkeit (Ohrfeige) eines Kranken­pfle­ge­helfers gegenüber einem Bewohner eines psychiatrischen Krankenhauses stellt einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Eine derart schwere Verletzung im Vertrau­ens­bereich braucht der Arbeitgeber vorher nicht abzumahnen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer bereits 58 Jahre alt ist und seit 32 Jahren beschäftigt wird. Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht entschieden.

Der 58-jährige Kläger war seit 1967 bei der Beklagten, die ein psychiatrisches Krankenhaus betreibt, als Kranken­pfle­ge­helfer beschäftigt. Er hatte schizophrene und schwachsinnige Patienten zu betreuen. Mitte September 1999 setzte sich der Bewohner A. zu Beginn des Mittagessens nicht an den richtigen Platz und kam der Aufforderung des Klägers, zu seinem Platz zu gehen, nicht gleich nach. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand für das Landes­a­r­beits­gericht fest, dass der Kläger dem Bewohner A. im Beisein mehrerer Zeugen sodann von hinten eine klatschende Ohrfeige gegeben hatte. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeits­ver­hältnis mit Schreiben vom 17.09.1999 fristlos. Das Arbeitsgericht Lübeck hatte der vom Kläger erhobenen Kündi­gungs­schutzklage stattgegeben. Die Inter­es­se­n­ab­wägung - so das Arbeitsgericht - führe aufgrund des Alters und der langjährigen Beschäf­ti­gungszeit des Klägers dazu, dass nur eine ordentliche Kündigung in Frage käme. Diese sei aufgrund des tariflichen Kündi­gungs­schutzes hier jedoch ausgeschlossen, sodass als nächst milderes Mittel nur eine Abmahnung hätte ausgesprochen werden dürfen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 13.07.2000 die Klage abgewiesen.

In der Begründung führte das Landes­a­r­beits­gericht aus, dass eine Tätlichkeit eines angestellten Kranken­pfle­ge­helfers gegenüber einem ihm anvertrauten Patienten ein wichtiger Grund für eine außer­or­dentliche Kündigung gemäß § 54 Abs. 1 BAT sei. Durch die erteilte Ohrfeige habe der Kläger gegen die elementare Grundpflicht eines Kranken­pfle­ge­helfers verstoßen, die körperliche Integrität der ihm in besonderer Weise ausgelieferten Patienten mit psychischen Erkrankungen zu beachten. Bei Verletzungen im Vertrau­ens­bereich sei eine Abmahnung dann nicht erforderlich, wenn es sich um besonders schwerwiegende Verstöße handele, deren Rechts­wid­rigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar und bei denen offensichtlich ausgeschlossen sei, dass sie der Arbeitgeber hinnehme. Der Kläger habe durch sein Verhalten in schwerwiegender Weise das für die Fortführung des Arbeits­ver­hält­nisses eines Kranken­pfle­ge­helfers von psychisch kranken Patienten notwendige Vertrauen zerstört. Psychisch kranke Menschen bedürften besonderer Fürsorge und Zuwendung, da sie hilflos seien und sich gegen Übergriffe nicht wehren könnten. Erschwerend komme hinzu, dass sich der Kläger weder in einer besonderen Stresssituation befunden habe noch vom Bewohner A. provoziert worden sei. Die Inter­es­se­n­ab­wägung falle zu Gunsten der Beklagten aus, da sie im Interesse der Patienten ein tätliches Verhalten eines Kranken­pfle­ge­helfers nicht dulden könne. Zudem müsse die Beklagte aufgrund der in der Öffentlichkeit diskutierten Missstände psychiatrischer Einrichtungen mit einem Rückgang an Patienten rechnen, wenn bekannt würde, dass ein Kranken­pfle­ge­helfer, der einen Patienten geohrfeigt habe, weiter­be­schäftigt werde.

Quelle: ra-online, LAG Schleswig-Holstein (pm)

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