15.11.2024
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Dokument-Nr. 6901

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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss18.06.2008

Gericht untersagt konzerninterne Leiha­r­beits­firmenVerstoß gegen Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­gesetz

Ein Konzern ist in der Gestaltung von konzerninterner Arbeit­neh­mer­über­lassung zur Verringerung von Personalkosten nicht völlig frei. Das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein hat in zwei Entscheidungen einer bestimmten, gegen den Willen des Betriebsrat umgesetzten Form der konzerninternen Arbeit­neh­mer­über­lassung einen Riegel vorgeschoben.

Der betroffene Konzern hatte eine konzerninterne Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­ge­sell­schaft gegründet. Diese Firma beschäftigte außer den zu überlassenden Mitarbeitern keine Arbeitnehmer. Die Arbeit­neh­mer­über­lassung sollte nur an konzern­an­ge­hörige Firmen erfolgen. Im Rahmen­über­las­sungs­vertrag war vorgesehen, dass diese Entleiherfirmen zentrale Arbeit­ge­ber­rechte wie die Befugnis zum Ausspruch von Abmahnungen und Kündigungen ausüben. Sie sollten auch die Einstel­lungs­ge­spräche führen. Die Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­ge­sell­schaft hatte keine Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­lizenz. Die im Konzern neu eingestellten Mitarbeiter wurden nicht nur in vorübergehenden Ausnahmefällen, sondern generell zu schlechteren Bedingungen als die in den anderen Konzern­un­ter­nehmen Beschäftigten eingesetzt.

Der Betriebsrat hat der Einstellung der Leiha­r­beit­nehmer im Entlei­her­betrieb unter Verweis auf einen Gesetzesverstoß (§ 1 Abs. 1 Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­gesetz (AÜG)) nicht zugestimmt. Die Anträge des Entleihers auf gerichtliche Zustim­mungs­er­setzung blieben erfolglos.

Das Landes­a­r­beits­gericht hat entschieden, dass der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers gemäß § 99 Abs. 2 Ziffer 1 Betrie­bs­ver­fas­sungs­gesetz (BetrVG) verweigern darf, wenn die Einstellung auf Basis unerlaubter gewerbsmäßiger Arbeit­neh­mer­über­lassung erfolgen soll. Der Zweck des Verbots unerlaubter gewerbsmäßiger Arbeit­neh­mer­über­lassung kann nur erreicht werden, wenn die darauf basierende Einstellung als solche unterbleibt.

Das Gericht hat zunächst festgehalten, dass das Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­gesetz hier Anwendung findet, weil die betroffenen Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft einem anderen Arbeitgeber überlassen waren. Weiter erachtet es die Arbeit­neh­mer­über­lassung als gewerbsmäßig: Der abgeschlossene Beherrschungs- und Gewin­n­ab­füh­rungs­vertrag wäre sonst überflüssig. Gegenstand des Unternehmens ist laut Eintragung im Handelsregister die „gewerbliche Überlassung von Arbeitnehmern“. Es handelt sich auch nicht um eine „ausgelagerte“ konzer­nein­heitliche Perso­na­l­ab­teilung, da die konzerninterne Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­ge­sell­schaft über keinerlei betriebliche Strukturen verfügt. Angesichts der gewählten Konstruktion – der Betriebsrat spricht von einem „Papiertiger“ - ist auch auf die Gewinn­er­zie­lungs­absicht der Konzernmutter und der Konzern­schwestern abzustellen.

Schließlich hat das Landes­a­r­beits­gericht die im Konzernverbund gewählten vertraglichen und unter­neh­mens­recht­lichen Vereinbarungen für rechts­miss­bräuchlich erachtet. Die Regelungen sind darauf gerichtet, mittels der nur ihren Namen hergebenden, nicht selbst tätig werdenden konzerneigenen Verleiherfirma das Vergü­tungs­niveau bei den Konzern­schwestern zu unterschreiten. Vertraglich bei der Verleiherfirma angesiedelte Arbeitnehmer werden damit im Verhältnis zu Stamm­a­r­beit­nehmern auf Basis einer lediglich formalen Konstruktion ungleich behandelt. Hierauf konnte sich der Betriebsrat bei seiner Zustim­mungs­ver­wei­gerung nach § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG auch berufen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 08/08 des LAG Schleswig-Holstein vom 23.08.2008

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