Dokument-Nr. 725
Permalink https://urteile.news/
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil13.03.2001
Tarifliche Ausschlussfristen erfassen auch deliktische Ansprüche
Eine Ausschlussklausel, nach der "alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" verfallen, sofern sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden, erfasst neben vertraglichen Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche auch solche aus unerlaubter Handlung, sofern vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt beruhen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 13.03.2001 rechtskräftig entschieden (3 Sa 655/00).
Der Beklagte war vom November 1997 bis März 1999 als Kundendienstmonteur bei der Klägerin, einem Sanitär- und Heizungsbetrieb beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand eine tarifliche Ausschlussklausel folgenden Wortlauts Anwendung:
"Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit Ausnahme des Urlaubs sind zunächst innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit bei Arbeitgeber bzw. beim Arbeitnehmer schriftlich geltend zu machen."
Im August 1998 beriet der Beklagte den Kunden K. dahingehend, dass sich eine Reparatur seiner defekten Heizungsanlage nicht lohne und unterbreitete ein Angebot für den Einbau einer neuen Heizung zum Festpreis von DM 4.800,--. Nach dem Einbau gewährte der Beklagte einen Preisnachlass bei entsprechender Barzahlung. Der Kunde K. zahlte daraufhin an den Beklagten die verlangten DM 4.500,--. Erst als es Ende Februar 1999 zu einem Reparaturauftrag kam, sprach die Klägerin den Kunden K. auf die noch ausstehende Rechnung an, woraufhin K. erwiderte, dass er den vereinbarten Preis von DM 4.500,-- bereits an den Beklagten in bar gezahlt habe. Die Klägerin stellte dem Kunden K. dennoch rund DM 6.500,-- in Rechnung, die dieser nicht beglich. Die Zahlungsklage gegen den Kunden K. nahm die Klägerin, nachdem Zeugen die Richtigkeit der Angabe des Kunden K. in der Beweisaufnahme vom 18.11.1999 bestätigt hatten, zurück. Mit Schreiben vom 06.12.1999 mahnte die Klägerin den Beklagten - erfolglos - auf Zahlung der DM 4.500,--. Die sodann vor dem Arbeitsgericht gegen den Beklagten erhobene Zahlungsklage wegen behaupteter Unterschlagung der DM 4.500,-- wies das Arbeitsgericht Neumünster mit Urteil vom 01.11.2000 die Klage ab, da ein derartiger Anspruch verfallen sei (3 Ca 953 a/00). Die von der Klägerin eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 13.03.2001 zurück (3 Sa 655/00).
Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, dass Schadensersatzansprüche fällig werden, wenn der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt habe bzw. bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte Kenntnis erlangen können. Die Klägerin sei von dem Schadensereignis bereits Ende Februar 1999 durch den Kunden K. in Kenntnis gesetzt worden und nicht erst nach der im Zivilprozess erfolgten Beweisaufnahme Ende November 1999. Folglich habe die Klägerin mit Schreiben vom 06.12.1999 ihre Ansprüche nicht innerhalb der vierwöchigen Verfallfrist gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Die im Streit befindliche tarifliche Ausschlussklausel erfasse - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch Ansprüche aus Delikt (Unterschlagung). Aus der Formulierung "alle beiderseitigen Ansprüche ... aus dem Arbeitsverhältnis" folge, dass die Verfallklausel eine umfassende Bereinigung bezwecke. Der Anspruch der Klägerin, ihr Vorbringen zum Einbehalt des kassierten und einbehaltenen Geldes als wahr unterstellt, könne auf verschiedene rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, nämlich auf ungerechtfertigte Bereichung, §§ 812 ff. BGB, positive Forderungsverletzung, §§ 276, 280, 286 BGB und Delikt, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246 BGB. Der Lebenssachverhalt, auf den der Zahlungsanspruch - gestützt auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen - herrühre, sei identisch. In einem solchen Fall sei eine unterschiedliche Beurteilung von vertraglichen und deliktischen Ansprüchen angesichts der Formulierung der Tarifnorm nicht zulässig, so auch st. Rspr. des BAG.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.04.2001
Quelle: Pressemitteilung Nr. 2/01 des LAG Schleswig-Holstein vom 23.04.2001
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil725
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.