15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 723

Drucken
Urteil24.07.2001Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein1 Sa 78 e/01
ergänzende Informationen

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil24.07.2001

Kündigung: Altenpflegerin verabreichte zuviel Beruhi­gungs­mittel

Eine vorherige Abmahnung ist bei einer verhal­tens­be­dingten Kündigung dann entbehrlich, wenn die Vertrags­ver­letzung so schwerwiegend ist, dass der Arbeitnehmer nicht damit rechnen kann, dass der Arbeitgeber derartige Vertrags­pflicht­ver­let­zungen hinnehmen wird. Dies gilt selbst dann, wenn die Pflicht­ver­letzung nur fahrlässig begangen wurde. Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein mit Urteil vom 24.07.2001 entschieden (Az.: 1 Sa 78 e/01).

Die Parteien führten einen Kündi­gungs­rechtsstreit. Die 40-jährige Klägerin war seit vier Jahren als Altenpflegerin in dem von der Beklagten betriebenen Alten- und Pflegeheim beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte auch, die von Ärzten verordneten Medikamente für Bewohner bereit zu stellen. Anfang Juli 2000 wurde sie abgemahnt, weil sie zwei Bewohnern Beruhi­gungs­zäpfchen verabreichte, obgleich der Arzt das Medikament abgesetzt hatte, was in den jeweiligen Medika­men­ten­blättern vermerkt war. Es war streitig, ob sich die Medika­men­ten­blätter an dem fraglichen Tag in den Patientenakten befanden. Ende August 2000 kündigte die Beklagte das Arbeits­ver­hältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.09.2000, weil die Klägerin Mitte August für einen Bewohner 15 ml anstelle 10 ml eines Abführmittels und für zwei Bewohner 5 ml anstelle 2 ml eines Beruhi­gungs­mittels bereitgestellt habe. Die Klägerin bestritt die erhöhten Dosierungen. Nachdem eine Zeugin die falsche Dosierung der Medikamente durch die Klägerin bestätigt hatte, entschied das Arbeitsgericht Lübeck mit Urteil vom 14.12.2000, dass das Arbeits­ver­hältnis durch ordentliche verhal­tens­be­dingte Kündigung endete. Eine fristlose Kündigung wäre nur dann berechtigt gewesen, wenn aufgrund der Fehldosierungen eine konkrete Gesund­heits­ge­fährdung der betroffenen Bewohner bestanden hätte, was hier nicht der Fall gewesen sei. Mit der Berufung wandte sich die Klägerin weiter gegen die ordentliche Kündigung. Die Berufung blieb erfolglos.

Zur Begründung führte das Landes­a­r­beits­gericht aus, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Klägerin für die drei Heimbewohner fahrlässig erheblich überdosierte Medikamente bereitgestellt habe. Dies sei eine schwerwiegende Pflicht­ver­letzung, weil es sich nicht um harmlose Medikamente gehandelt habe und eine Überdosierung gerade bei alten Patienten zu schwerwiegenden und unübersehbaren Folgen führen könne. Auch fahrlässige Verhal­tens­weisen könnten schwerwiegende Pflicht­ver­let­zungen beinhalten, da ein Arbeitnehmer auch bei Fahrlässigkeit sein Verhalten steuern könne. Vor dem Hintergrund der Gefährlichkeit der Medikamente, des Alters der Patienten, der Tatsache, dass diese oftmals hilflosen Patienten auf die zuverlässige Versorgung Dritter angewiesen seien, dürfe eine derartige Fahrlässigkeit nicht vorkommen. Bei solch schwerwiegenden Vertrags­ver­let­zungen könne der Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber diese sanktionslos hinnehme. Einer vorherigen Abmahnung habe es deshalb nicht bedurft.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 5/01 des LAG Schleswig-Holstein vom 04.09.2001

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil723

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI